Pressemitteilung zur neuen Hardliner-Politik der EU-Konservativen
Brüssel, 4. Mai 2023
Die konservative Fraktion im EU-Parlament (EVP = CDU/CSU auf EU-Ebene) ist dabei, dem Green Deal den Garaus zu machen. Sie wird laut „Financial Times“ morgen beim kleinen Parteitag der EVP in München eine Resolution verabschieden, in der sie unter anderem dazu aufruft, die geplante Pestizid-Verordnung zu kippen sowie das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Ein vor kurzem verfasstes Positionspapier mit dem Titel „Industriestandort 2050” belegt, wie ernst sie es damit meint, den Umwelt-Plan der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) zu torpedieren.
„Ganz offensichtlich haben sich die Hardliner bei den Konservativen jetzt durchgesetzt. Also diejenigen, die den Umweltschutz blockieren, um überkommene, teilweise stark subventionierte Wirtschaftsmodelle künstlich am Leben zu halten”, kommentiert Anna Deparnay-Grunenberg, Abgeordnete im Europäischen Parlament für Bündnis 90/Grüne und Mitglied in den Ausschüssen Verkehr, Umwelt und Landwirtschaft (TRAN, ENVI, AGRI). „Hinter der Resolution steckt das Ziel, den Masterplan ihrer Parteifreundin Ursula von der Leyen in entscheidenden Punkten zu stoppen. Das Positionspapier ‘Industriestandort 2050’ ist in Wahrheit eine Killer-Liste. Bei wichtigen Maßnahmen zum Thema Naturschutz und dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen standen die Konservativen schon die ganze Zeit auf der Bremse, jetzt gehen sie auf Vollblockade.”
Die Fraktion fordert in dem Papier, den Entwurf für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur „sofort” zurückzuziehen. Dabei wäre es die erste bedeutende Verordnung zum Naturschutz seit 30 Jahren. Bauern sollen zudem weiterhin ungehemmt Pflanzenschutzmittel einsetzen können, auch das Null-Schadstoff-Paket für saubere Luft und sauberes Wasser wollen die Konservativen wieder aufschnüren.
Die Konservativen liefern in dem Papier keine Lösungsvorschläge, wie die Natur vor dem Aussterben zu retten ist. Sie will die Klimakrise „nur mit Innovation und Befähigung, anstatt mit Vorgaben und Verboten” angehen. Dazu Deparnay-Grunenberg: „Es scheint, als hätten CDU/CSU bei der FDP Anti-EU-Populismus getankt. Sie tun so, als wäre die Klimakrise ein Luxusproblem und der Kampf dagegen nerviger Bürokratiekram. Wir sollen abwarten, dass der Markt das regelt. Das ist, als würde man sein Kind nicht von der Straße wegzerren, wenn man ein Auto anrasen sieht. Für eine erfolgreiche Transformation müsste man Fischer und Landwirte kompensieren, Mitarbeiter umschulen, Praktiken fundamental ändern, kurz: am Green Deal arbeiten, statt ihn zu bekämpfen.”
Hintergrund:
- 2019 verkündete die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) den „Green Deal”. Er besteht aus mehreren Dutzend Maßnahmen, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen. Bei einem Teil handelt es sich um Maßnahmen zum Naturschutz, das heißt es geht darum, Boden, Luft und Wasser und damit die Biodiversität zu schützen, indem die EU einen grundlegenden Wandel der Wald- und Agrarwirtschaft einleitet. Der andere Teil befasst sich mit klassischem Klimaschutz, das heißt damit, Treibhausgase zu vermindern und den Markt entsprechend zu regulieren, etwa, indem erneuerbare Energien und Technologien wie E-Autos gefördert werden.
- Seit Mitte März wird im EU-Parlament das „Nature Restauration Law” verhandelt. Es hat zum Ziel, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Landflächen und Seegebiete in der EU zu renaturieren. Damit erfüllt die EU unter anderem ihre internationalen Verpflichtungen unter dem Abkommen der Weltnaturkonferenz 2022 (CBD COP15)
- Im Frühjahr 2023 veröffentlichte die konservative Fraktion im Parlament ein zwölfseitiges Papier zur „grundlegenden Reform des Green Deal”. Unter anderem moniert sie darin ernsthaft, dass die EU sich bei den Euro 7-Abgasnormen an den Richtlinien der WHO orientiert. Dabei ist das überfällig, sogar China und die USA haben längst viel strengere Vorschriften als die EU.
- In einem Gastbeitrag für WELT rühmen der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber Europa explizit für eine „marktwirtschaftlichem Klimaschutz“.