- 13 der 27 EU-Staaten betreiben Atomkraftwerke
- Ca. ein Viertel der weltweiten Reaktoren befinden sich in Europa (106 Reaktoren)
- 2050 erreichen alle aktuell betriebenen Atomkraftwerke das „kritische Alter“ (40 Jahre) und müssen voraussichtlich abgestellt werden
- Frankreich deckt ca. 72 Prozent seines Energiebedarfs mit Atomkraft (Mit 56 aktiven AKWs und sechs weiteren in Konstruktion) – der höchste Anteil weltweit.
- Aktuelles Ziel in Deutschland: 2/3 Erneuerbare bis 2030!
Was auf dem Spiel steht
Ob beim Heizen, Tanken oder der Stromnutzung: Unser Energiebedarf steigt und so auch die Preise.
Leider nutzen die Atom- und Gasunternehmen die europaweite Energieknappheit, um die Atomkraft und Gas auf europäischer Ebene stärker zu fördern. Diese könnten in der anstehenden Taxonomie-Verordnung* der EU sogar als “nachhaltige Investition” eingestuft und damit durch öffentliche Gelder finanziert werden. Wir Grünen im Europäischen Parlament setzen alles daran, dies zu verhindern und die notwendige Energiewende – mit 100% erneuerbaren Energien als Ziel – einzuleiten.
Atomenergie in Europa 2021: Droht eine Kehrtwende?
In Deutschland war der Weg zum Atomausstieg lang, er wurde 2011 endlich beschlossen. Auch andere EU-Länder kündigten noch vor wenigen Jahren an, aus der Atomenergie auszusteigen; mitunter bspw. auch Schweden, Spanien, Belgien und Slowenien. Jedoch könnte der Wind in die entgegengesetzte Richtung stärker zu wehen beginnen…
Denn nun droht die EU-Kommission die Nuklearenergie unsinnigerweise –man staune! – als “nachhaltig” einstufen. Dieses Vorhaben unterstützen jetzt auch zehn EU-Staaten, angeführt von Frankreich, die weltweit den größten Anteil an Kernenergie in ihrem Energiemix haben und Polen, die bisher keine AKWs im eigenen Land betreiben. Das bedeutet, zwei an Deutschland grenzende Länder setzen auf die Kernenergie als „Zukunftsenergie, um den Klimawandel zu stoppen”! Auch Slowenien, das noch vor wenigen Jahren den Atomausstieg ankündigte, unterstützte den Vorschlag.
Atomenergie als “nachhaltig” einzustufen kann weder im europäischen Interesse noch im Sinne des Gemeinwohls sein und würde den deutschen Atomausstieg drastisch konterkarieren.
Doch sogar innerhalb Deutschlands scheint die Einigkeit über den Atomausstieg wieder zu wanken. So brachte der CDU-Kanzlerkandidat, Armin Laschet, im dritten Kanzlerduell Bedenken hinsichtlich des schnellen Atomausstiegs ein.
EU-Taxonomie: Gas und Atomkraft sind weder nachhaltig noch erneuerbar.
Die EU-Taxonomie definiert, welche Energien als nachhaltig eingestuft werden sollen und damit aus EU-Geldern im Rahmen des Green Deals gefördert werden. Dafür legt die Europäische Kommission Kriterien fest, nach denen Technologien hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit bewertet werden. Aus dieser Bewertung ergibt sich auch, ob eine Technologie durch die EU gefördert werden kann. Dazu gehören beispielsweise Technologien, die den Klimawandel abschwächen, etwa erneuerbare Energien. Im Ursprungsvorschlag der EU-Kommission, der auf den Juli 2018 zurückgeht, war die Atomenergie von der Förderung ausgeschlossen. Das könnte sich aber nun durch den Druck der Pro-Atom-Lobby und der genannten EU-Mitgliedsländer ändern.
Unsere Grüne Forderung hierzu ist klar:
Kurzfristig müssen wir sicherstellen, dass Menschen nicht in Energiearmut verfallen und Direkthilfen für einkommensschwache Haushalte und Kleinstbetriebe ausgezahlt werden.
Langfristig müssen wir bis spätestens 2040 auf 100% erneuerbare Energien umsteigen und hierfür den Ausbau von Solar- und Windenergie sowie einer Speicherinfrastruktur fördern.
Nur so können wir zukünftig große Preissprünge bei den Energiepreisen verhindern, die geopolitische Abhängigkeit vom Gas vermindern und das nach wie vor enorme Risiko für Gesundheit von Menschen, Tier und unserer Umwelt durch AKWs verringern.
Mit der Atomkraft “die Klimakrise schnell zu lösen” bringt uns in eine neue gefährliche Pfadabhängigkeit.
Im vergangenen Jahr beauftragte die EU-Kommission ihre eigene Forschungsstelle (JRC) damit, die Umweltverträglichkeit von Atomenergie zu prüfen. Im März 2021 lautete die Schlussfolgerung der JRC-Untersuchung: “Die Kernenergie verursache keinen erheblichen Schaden und könne daher als Technologie zur Bekämpfung des Klimawandels durch die EU gefördert werden.” Historisch gesehen, ist das JRC auf dem Euratom-Programm der EU entstanden und wird bis heute von Euratom mitfinanziert. Da lässt sich anzweifeln, ob diese Studie tatsächlich “objektiv” durchgeführt werden konnte.
Die Atomlobby und einige Mitgliedstaaten, allen voran Frankreich, sehen sich durch die Studie gestärkt und üben weiter Druck auf die EU aus. Daraufhin veröffentlichen zehn EU-Mitgliedsstaaten (Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Finnland, Frankreich, Ungarn, Rumänien, Slowakei und Slowenien) kürzlich eine gemeinsame Stellungnahme, um die Atomenergie “als Teil der Lösung zur Bekämpfung des Klimawandels und der Erreichung des Ziels der Klimaneutralität 2050” zu bewerben. Deutschland ist nicht dabei. Aber hinsichtlich der Entscheidung über die Taxonomie-Verordnung, droht ein Kuhhandel, in dem Frankreich Gasförderung und Deutschland im Gegenzug Atomenergie dulden könnte. Das muss die nächste Bundesregierung im Sinne eines echten Strebens nach planetarischer Gesundheit verhindern!
Weckrufe aus der Wissenschaft: “Die Folgen schwerer Unfälle vom JRC wurden nicht ausreichend betrachtet:”
Im Hinblick auf die Verlässlichkeit JRC-Studie äußert die Wissenschaft große Bedenken: „Allein, wenn man das Risiko schwerer Unfälle betrachtet, wird deutlich, dass ein „signifikanter Schaden“ nicht ausgeschlossen werden und die Kernenergie deshalb nicht als „nachhaltig“ eingestuft werden kann.“ Für die Bewertung, welche Gefahren von Kernkraftwerken in der Folge schwerer Unfälle ausgehen können, hat das JRC nur unzureichend Daten und Auswertungen herangezogen. Nicht Teil der Bewertung sind etwa die maximale Zahl der Todesopfer und die Todesrate – oder andere wichtige Indikatoren, wie die Zahl der evakuierten oder umgesiedelten Menschen, die über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte kontaminierte Fläche oder die wirtschaftlichen Folgen eines schweren Unfalls. Damit ist die Atomkraft nicht mit dem „Do-no—significant-harm“ Prinzip vereinbar! – so die Analyse des Öko-Instituts.
Umweltfolgen: Nicht nur Wasserknappheit und Atommüll
Der letzte IPCC Bericht ordnet die Kernenergie (hinsichtlich seiner Umweltfreundlichkeit) weit hinter den Erneuerbaren Energien ein: Wegen der potentiellen Gefahr durch atomare Strahlung, der hohen Kosten (Instandhaltung, Bau), des Atommülls (bisher immer noch keinerlei Lösung für Endlager!), des hohen Wasserverbrauchs (Wassermangel während Dürreperioden führt zum Herunterfahren von Reaktoren) und der Umweltverschmutzung durch Uranium-Minen.
In den Uranium-Minen wird das “endliche” Uran für Atomkraftwerke mit hohem Ressourcenverbrauch und damit einhergehender Umweltzerstörung und oft unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen mit schweren gesundheitlichen Folgen in vielen Regionen der Welt abgebaut. Außerdem: Mit zunehmenden Wetterextrema, durch den Klimawandel verursacht, begeben wir uns auf dünnes Eis! Und nicht zuletzt: Ein „Weiterso mit Atomenergie“ widerspricht den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs)!
Kurz: In 50 Jahren stünden wir im selben Szenario wie heute mit dem Öl und müssten die Energiewende wieder von vorn beginnen und die enormen Ausstiegskosten sowie die Planungskapazitäten neu erschaffen Das ist alles andere als “nachhaltig” oder sinnvoll. Statt dieselben Fehler wieder zu begehen, sollten wir heute langfristiger und in Kreisläufen denken! Jetzt die Chance nutzen statt verschmutzen!
Alternativen zu Atomkraft und Gas liegen auf der Hand: Seit diesem Jahr (2021) wird über 50% des in Deutschland hergestellten Stroms aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen. Das hat alle voherigen Prognosen übertroffen!
Zur Netzstabilität und Energiespeicherung: Dabei sollten wir nur insoweit fossile Brückentechnologien einsetzen, wie es für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität unvermeidbar ist. Die Stromerzeugung mit Erdgas mag in naher Zukunft zur Abfederung der Netzschwankungen durch die Einspeisung erneuerbarer Energien notwendig sein, investiert werden sollte aber in die Technologien mit großem, langfristigen Zukunftspotential: Das sind vor allem Energiespeicher oder ein “Smart Grid”, in dem beispielsweise die Batteriekapazitäten der Elektroautos zur Regulierung der Netzschwankungen miteinbezogen wird.
Deshalb: Lasst uns in einer neuen Bundesregierung die Energiewende einleiten und in diesem Zuge auch Kohlekraftwerke bis spätestens 2030 abschalten. Die Richtung heißt 100% Erneuerbare: Lieber eine strahlende Zukunft als eine verstrahlte Zukunft!
Langfristig denken: 100% Erneuerbare für den Klimaschutz ist unser Ziel
Der Energiebedarf ist groß, die technologischen, aber auch sozialen Herausforderungen des Klimawandels sind nicht zu unterschätzen. Wir müssen deshalb – jetzt erst recht! – in unseren heutigen Entscheidungen die künftigen Generationen stets einbeziehen. Auch mit unserem Ressourcenverbrauch rational umgehen, das heißt: Dort, wo es geht, “reduce, re-use, recycle”!
Alternativen zu Atomkraft und Gas liegen auf der Hand: Seit diesem Jahr (2021) wird über 50% des in Deutschland hergestellten Stroms aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen. Das hat alle vorherigen Prognosen übertroffen!
Die Sorge um die Netzstabilität und Energiespeicherung wird unterdes genutzt, um Atom- und Gas weiterzufördern. So soll die Stromerzeugung mit Erdgas oder Re-fuels in Zukunft zur Abfederung der Netzschwankungen durch die Einspeisung erneuerbarer Energien genutzt werden, solange die Alternativen für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität nicht genügen. Gleichzeitig muss jedoch der Ausstieg aus Atom und Gas geplant und terminiert werden. Denn Brückentechnologien sollen wirklich Übergangslösungen sein und sich nicht verfestigen. Der Bau eines neuen Atommeilers z.B. setzt 40 Jahre weitere Pfadabhängigkeit. Investitionen sollten daher nur in diejenigen Technologien mit großem, mittel- und langfristigen Zukunftspotential fließen! Das heißt in erneuerbare Energieträger (Wind- und Solar und auch Energiespeicher oder “Smart Grids”, in dem beispielsweise die Batteriekapazitäten der Elektroautos oder dezentrale Stromspeicher zur Regulierung der Netzschwankungen miteinbezogen werden. Jeglicher Umweg von diesem Pfad bindet wieder Kapazität in die falsche Richtung – statt das ganze Potential einer Kreislaufwirtschaft mit 100% Erneuerbare zu entfalten.
Eine Bürger-Energiewende dezentral und partizipativ ?!
Schöne Beispiele gibt es schon: So förderte beispielsweise das Land Baden-Württemberg bereits 2014-2016 das Forschungs-Projekt “Strombank – Innovative Betreibermodelle für dezentrale Stromspeicher”. Nachbarschaften erhielten die Möglichkeit, in große Batterien den Strom ihrer Photovoltaikanlagen “einzuzahlen”. Bei Überschussiger Strom wurde gespeichert und konnte von anderen aus der Nachbarschaft genutzt werden und dabei das Stromnetz entlasten. Solche dezentralen Modelle haben den Vorteil, dass sie nicht nur partizipativer sind, sondern auch bei Stromausfällen mehr Rückfallebenen bieten und somit die Stromversorgung sichern.
Dafür braucht es natürlich viel mehr dezentrale Speicher. Aktuell arbeitet der baden-würrtembergische Energieversorger EnBW an der Entwicklung solcher Speicher. Dank dieser müssen Wind- und Photovoltaik Analgen bei zu hoher Stromproduktion nicht vom Netz genommen werden. Und im Sinne von “re-use” kommen “Second-Life-Batterien“ in einigen Elektroautos zum Einsatz (Energiekonzerne und Automobilhersteller arbeiten hier zusammen). Die Erfahrung zeigt ganz deutlich, unter Innovationsdruck, entsteht viel Neues. Schlagwort: Exnovation! Wirklich mit dem Alten abschließen. Wen Atomkraft und Gas weiterlaufen und gefördert werden, bremsen wir die Energiewende mit Erneuerbaren aus (Nuclear Exnovation | Heinrich-Böll-Stiftung).
Deshalb: Lasst uns in einer neuen Bundesregierung die Energiewende einleiten und in diesem Zuge auch Kohlekraftwerke bis spätestens 2030 abschalten. Die Richtung heißt 100% Erneuerbare: Lieber eine strahlende Zukunft als eine verstrahlte Zukunft!