Eine neue EU-Richtlinie als möglicher Grundstein für eine sozial-ökologische Transformation, ein echter Green Deal…
Fakten:
- Seit 2018 erstatten Großunternehmen (> 500 Mitarbeitende) über die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Tätigkeit Bericht gemäß EU-Richtlinie
- 99% der Unternehmen sind jedoch Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMUs) und werden nicht erfasst
- Ausgaben der öffentlichen Hand an private Unternehmen machen fast 2 Mrd €/Jahr in der EU aus – 14% des BIP aus: ein enormer Hebel!
Unattraktiver kann man es fast nicht nennen: “Non-Financial Reporting Directive, kurz NFRD”. Benannt nach dem, was sie nicht ist, nicht nach dem, was sie sein könnte: eine Art “Zufriedenheitsindex “– oder sogar eine Erhebung von Bruttonationalglück. Eine Eintrittskarte in eine Wirtschaft, die dem Menschen und der Natur dient, anstatt sie zu gängeln!
Aber fangen wir von vorne an.
Was macht diese Richtline derzeit?
Seit 2018 berichten große, gelistete Unternehmen, Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitenden öffentlich über die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Ziel der Richtlinie war es, durch Transparenz, nachhaltige Kauf- und Investitionsentscheidungen zu treffen.
Und das hat leider gar nicht geklappt, denn
- laut Eurostat sind 99% der Unternehmen in Europa kleine und mittelständische (sog. KMUs), somit betrifft die NFRD nur einen sehr kleinen Teil der Unternehmen
- die entstandenen Nachhaltigkeitsberichte sind sehr unterschiedlich und kaum vergleich- oder überprüfbar. Unternehmen haben oft hohe Kosten um das Reporting zu machen, da es keine klaren Richtlinien gibt was eigentlich genau und wie zu erheben ist
- die Berichte sind zwar öffentlich aber oft schwer zu finden
Die einfache Antwort auf unsere Frage was die Richtlinie macht ist somit: nicht viel- außer Mühe und Papier! Aber das soll sich ändern!
Eine neue Richtlinie im Einklang mit den Zielen des Green Deals
Die Europäische Kommission hat nun jedoch einen Vorstoß für eine Überarbeitung dieser Richtline gemacht, mit der sogenannten “Corporate Sustainability Reporting Directive” (kurz,CSRD). Hier ist vorgesehen, genau die oben genannten Schwachpunkte anzugehen – Mehr Unternehmen, Vergleichs- und Überprüfbarkeit der Resultate, Erleichterung für die Unternehmen, damit diese nicht mitten im Wirr-War von unzähligen Indikatoren und Verfahren schwimmen.
Der Vorschlag der Kommission wird nun im legislativen Ausschuss (JURI) bearbeitet. Kürzlich konnte ich, in einem Online-Termin, meine Vision der neuen Richtlinie und mein Pilotprojekt Local Green Deals den Grünen Mitgliedern des Jury Committee vorstellen. Ich habe gespürt, dass da richtig viel GRÜNE Energie ist! Richtig Lust auf Veränderung und bin zuversichtlich, dass hier etwas in Gang kommt!
Große Hoffnungen – im Kleinen und im ganz Großen
Wenn möglichst alle Unternehmen ein soziales und ethisches Nachhaltigkeitsassessment durchlaufen, ist das der Ausgangspunkt für Veränderungen auf allen Ebenen:
Auf kleinster Ebene: Im Unternehmen selbst, können durch den Einblick wie sozial und ökologisch gewirtschaftet wird, Anpassungen vorgenommen werden um den “ethical score” zu verbessern (z.B. einen anderen Lieferanten wählen, eine bessere Einbindung der Mitarbeitenden in Entscheidungsprozessen etc). Dies kann zu einer positiven Spirale von Veränderungen führen, von der das Unternehmen, andere Unternehmen entlang der Lieferkette und die direkte Unternehmensumwelt profitieren. (Erfahrungen hierzu könnt ihr im Buch “24 wahre Geschichten vom Tun und Lassen. Gemeinwohl-Ökonomie in der Praxis” lesen).
Auf mittlerer Ebene: Durch die erhöhte Transparenz sind Investor*innen und Konsument*innen befähigt nachhaltigere Kauf- und Investitionsentscheidungen zu treffen und so Unternehmen zu fördern, die Gutes tun.
Auf höchster Ebene: Kann nun tatsächlich öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ausgegeben werden und dies über drei Mechanismen:
- Erstens, Bevorzugung von Unternehmen mit einem gutem “ethical score” in der Öffentlichen Vergabe. Das ist keine Kleinigkeit, denn Aufträge der öffentlichen Hand machen in der EU 14% des BIP aus mit mehr als 1,9 Billionen Euro jährlich. In den Sektoren Energie, IT, Verkehr, Verteidigung und Gesundheit gilt die öffentliche Hand als Hauptauftraggeber.
- Zweitens, Bevorzugung von Unternehmen mit gutem “ethical score” bei der Verteilung öffentlicher Fördermittel auf allen Ebenen (kommunal, regional, landes-, bundes- und europaweit). Was das für Auswirkungen haben kann, wird recht schnell klar, wenn man sich vorstellt, den größten Fördertopf der EU überhaupt – die GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) an Betriebe zu vergeben, die besonders hochwertige und nachhaltige Lebensmittel produzieren. Es wäre ein unglaublicher Gewinn für Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserqualität, Lebensmittelqualität, regionale Ernährungssicherheit, Artenvielfalt und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft! Dem Hofsterben würde etwas entgegengesetzt und vielfältige Formen der nachhaltigen Landwirtschaften würden florieren. Mehr dazu…
- Drittens sollten Unternehmen je nach ihrer ethischen Bilanz besteuert werden. Wer soziale und ökologische Kosten niedrig und vor allem im Unternehmen selbst angeht (internalisiert), sollte weniger zahlen müssen, als Unternehmen die ihre Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen (externalisieren).
So sind vielfältige Möglichkeiten da, die den Unternehmen einen Return on Investment (ROI) bieten – es gilt sie auszuschöpfen. Schon jetzt sollten seitens der Politik klare Bekenntnisse dazu kommen, damit sich die Wirtschaft entsprechend darauf einstellen kann. Wir brauchen den Startschuss für einen gesünderen Wettbewerb! Ein Wettbewerb darum wer am sozial und ökologisch nachhaltigsten wirtschaftet, am meisten dem Gemeinwohl beiträgt.