Heute hat die EU-Kommission den zweiten delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie vorgestellt. Damit ist es offiziell: Atom und Gas, der EU-Kommission zufolge, zukünftig als “nachhaltig” eingestuft werden.
Die deutsch-französische grüne Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg bedauert diese Entscheidung:
“Atomkraft und Gas als nachhaltige Energieträger einzustufen, ist alles andere als nachhaltig. Es wird unsere Finanzströme in die völlig falsche Richtung lenken. Eine Taxonomie mit Atomenergie und Gas führt nicht zur notwendigen Energiewende. Im Gegenteil: Es widerspricht dem Europäischen Green Deal, birgt Sicherheits- und Gesundheitsrisiko für unsere Bürgerinnen und Bürger und gefährdet die deutsch-französische Freundschaft.”
Grundlage für diese Kommissionsentscheidung war ein „Deal“ zwischen Frankreich (unterstützt von mehreren osteuropäischen Ländern) und der vorherigen GroKo-Bundesregierung (die hätte ein Veto einlegen können). Die neue deutsche Bundesregierung hält am Atomausstieg fest und sprach in seiner Stellungnahme Bedenken1 am Verfahren aus.
“Frankreich ist das einzige EU-Land, das bei seinen Zielen zum Ausbau der erneuerbaren Energien bisher hinterher ist2. Nun verkauft uns Präsident Macron die Atomkraft als ‘die Scheinlösung’ für den Klimaschutz in Europa. Macrons proeuropäisches Image wird in Deutschland darunter leiden. Der Präsident stellt sich immer als Vorzeige-Europäer dar, insbesondere jetzt vor den Präsidentschaftswahlen. Jetzt setzt er nicht nur sein Image, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Europäischen Green Deals aufs Spiel„, meint die deutsch-französische Europaabgeordnete.
“Wir Grünen im EU-Parlament haben uns für eine wirklich ambitionierte EU-Taxonomie eingesetzt. Dass diese nun durch den zweiten Delegierten Rechtsakt so verwässert wird, macht das grüne Finanzierungslabel unglaubwürdig. Wir müssen eine Renaissance der Atomkraft in Europa verhindern und werden diesen Rechtsakt der EU-Kommission ablehnen. Die EU-Taxonomie ist auch ohne diesen zweiten Rechtsakt bereits seit dem 1.1.2022 in Kraft. Wir brauchen und wollen diesen zweiten Rechtsakt unter keiner Bedingung!”, so Anna Deparnay-Grunenberg. Für die Ablehnung bei der Abstimmung in den nächsten 4 (+2) Monaten wird eine einfache Mehrheit im EU-Parlament notwendig sein.
1 Aus der offiziellen Stellungnahme der Bundesregierung vom 21.1.2022 zum Rechtsakt an die EU-Kommission : „Angesichts der sehr grundsätzlichen und politischen Bedeutung der hier behandelten Fragen, wäre aus Sicht der Bundesregierung ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren und eine öffentliche Konsultation angemessen, weil dies angemessene Einflussmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments gewährleistet hätte.“
2 „Bei der Stromerzeugung will Frankreich bis 2030 einen Erneuerbaren-Energien-Anteil von 40 Prozent erreichen. Das liegt deutlich unter dem 65-Prozent-Ziel in Deutschland. Von den 500 Terrawattstunden Strom, die 2020 in Frankreich erzeugt wurden, kamen 67 Prozent aus Atomkraftwerken und nur 25,4 Prozent aus Erneuerbaren Energien.“ (Quelle).
Hintergrund:
Die EU-Taxonomie dient der Orientierung und Mobilisierung privater Investitionen in Aktivitäten, die erforderlich sind, um in den nächsten 30 Jahren Klimaneutralität zu erreichen. Dafür legt die EU-Kommission Kriterien fest, was „nachhaltig“ ist und lenkt damit die zukünftigen Investitionsströme. Der derzeitige Energiemix in Europa variiert von einem Mitgliedstaat zum anderen.