Im Juni standen wichtige Entscheidungen in Brüssel auf der Agenda. Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat arbeiteten mit Hochdruck an ihrer Position zu den „Fit for 55“-Gesetzesinitiativen.
Energieeffizienz – klimafreundlich und unabhängig.
Das „Fit for 55“-Paket war letztes Jahr im Sommer von der Europäischen Kommission vorgelegt worden und soll unser Fahrplan für für einen klimaneutralen Kontinent bis 2050 sein. Ziel ist es, die Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 % zu senken. Das „Fit for 55“-Paket umfasst mindestens zwölf neue Klimavorschläge* und leitet die nächste Phase des Europäischen Green Deal ein.. Wir bleiben zwar hinter unseren Erwartungen zurück, doch ist das FitFor55-Paket das wichtigste umweltpolitische Maßnahmenpaket der EU in dieser Legislaturperiode.
Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist klar: Energiepolitik ist nicht nur Klimapolitik, sondern auch Sicherheitspolitik. Europa kann es sich nicht mehr leisten, für seine Energiesicherheit von externen Lieferanten abhängig zu sein. Stattdessen müssen wir mit aller Kraft die Energieeffizienzstandards verbessern und die Einführung von Wind- und Solarenergie beschleunigen. Glücklicherweise besteht immer noch die Möglichkeit, sich innerhalb der EU für ehrgeizigere Ziele bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz einzusetzen. Das Europäische Parlament muss noch über seinen Standpunkt abstimmen. Danach werden die Mitgliedstaaten und das Parlament ihre letzten Verhandlungen führen.
Der Emissionshandel ist das zentrale Klimainstrument in der EU
Rund 40% aller CO2-Emissionen der Mitgliedsstaaten werden über den Europäischen Emissionshandel (ETS) geregelt. Über den Kauf und Verkauf von CO2-Verschmutzungsrechten wird ein einheitlicher europäischer CO2-Preis festgelegt. Dieser Klima-Mechanismus ist unser wichtigster europäischer Hebel gegen die Klimakrise. Das Prinzip ist ziemlich einfach erklärt: Wer CO2 in die Atmosphäre bläst, zahlt. Je mehr CO2 emittiert wird, desto höher die entstehenden Kosten für die betreffenden Energieunternehmen und Industrie. Der Zertifikatehandel hat nachweislich dazu geführt, dass europäische Emissionen gesenkt wurden. Warum dann neu verhandeln? Weil wir neue Klimaziele haben und die Klimarealität uns einholt. Doch die Verhandlungen waren und sind zäh. In seiner letztlich verabschiedeten Position hält das Europäische Parlament an dem für 2032 gesetzten Ziel für die schrittweise Abschaffung von Zertifikaten fest und geht damit über den schwachen Vorschlag der Europäischen Kommission hinaus.
Schon jetzt ist bereits absehbar, dass die beschlossenen Maßnahmen den Zielen des Green Deals nicht gerecht werden. Europas neuer CO2-Handel steht und doch gibt es wenig zu feiern. Wir haben dennoch schlimmeres verhindert und die fossile Allianz im Europaparlament aufgebrochen und einige Stellschrauben im Klimaschutz angezogen, aber das 1,5-Grad-Klimaziel ist damit nicht einzuhalten. Die Erderhitzung droht dramatischer zu werden. Das ist eine historische Zäsur, denn wir müssen jetzt alles daran tun, diesen neuen Deal rasch umzusetzen. Doch leider stellen wir noch lange keine Mehrheit und müssen mühevoll Kompromisse aushandeln, die mit unserem Gewissen und unseren grünen Visionen vereinbar sind. Wie schwer das manchmal fällt, erklärt mein Kollege Michael Bloss in diesem Artikel ausführlich.
Aus für Verbrennungsmotoren!
Es gab auch positive Überraschungen: Mit einer Mehrheit beschloss das Europäische Parlament das Aus für die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2035. Auch der EU Umweltrat unterstützt diese Forderung. Ein wichtiger Erfolg für den Klimaschutz. Alleine im vergangenen Jahr wurden rund 888 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) wurden 2018 in der EU durch die Verbrennung von Kraftstoffen im Straßenverkehr ausgestoßen. Pkw und Motorräder verursachten mit 62 % den größten Teil der Emissionen. Die Einigung ist auch das klare Signal an die Automobilwirtschaft, jetzt voll auf alternative, emissionsfreie Autos zu setzen.
Waren von außerhalb der EU mit einer Art Emissions-Zöllen belegen: CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM)
Das Europäische Parlament führt mit der CO2-Grenzausgleichsteuer ein neues Klimaschutzinstrument ein für die EU-weite und globale Wende hin zu einer klimafreundlichen Industrieproduktion. Das ist ein großer Baustein des Europäischen Green Deal, mit dem die europäische Industrie vor Wettbewerbsnachteilen geschützt und eine Verlagerung der Produktion in Staaten mit laxeren Klimavorgaben verhindert werden soll. Wir Grünen/EFA haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass der CO2-Grenzenausgleich ab 2030 auf alle Sektoren des Emissionshandels ausgeweitet wird. Das EU-Parlament sendet das starke Signal, dass CO2-Emissionen in unseren Industrien keine Zukunft haben. Leider gibt es bei dem Instrument Aufweichungen im Bereich der Exportrabatte und im Anwendungsbereich, da hätten wir Grünen/EFA uns mehr gewünscht.
Klima-Sozialfond: Energiewende für Alle!
Erstmals will die EU ein Instrument schaffen, um horrend steigende Energiekosten für bedürftige Haushalte abzufedern. Wer am meisten von Armut betroffen ist, soll nicht auch noch unter explodierenden Energiepreisen leiden. Wir begrüßen, dass die Ausweitung des Emissionshandelssystems auf Transport und private Haushalte daran gekoppelt ist, dass die Energiepreise nicht ins Unermessliche steigen. Uns Grüne ist es wichtig, dass der größte Teil der Investitionen in strukturelle Maßnahmen fließt, die Menschen langfristig und nachhaltig aus der Armut holen, durch Projekte wie Sanierungswellen und lokale Mobilitätskonzepte.
Ende Juni einigten die EU-Mitgliedstaaten sich zwar auf einen neuen EU Klima-Sozialfonds. Allerdings wollen sie den Vorschlag der EU-Kommission auf 13 Milliarden kürzen und das Volumen des Fonds bis 2032 auf 59 Milliarden Euro begrenzen. Statt 2026 wollen die EU-Mitgliedstaaten den Fonds erst 2027 in Kraft treten lassen. Wir im EU-Parlament sind jedoch überzeugt, dass der Fonds die Entwicklung der Einnahmen aus dem ETS widerspiegeln soll. Ziel muss es sein, die Energiewende für alle zu ermöglichen und alles dafür zu tun, dass Ungleichheiten in der EU nicht verschärft werden. Dabei sollten die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sein, ihre ETS-II Einnahmen, an die finanziell Schwächeren umverteilen. Hier müssen wir in den anstehenden Trilogen konsequent verhandeln!
LULUCF: Kann der Wald uns noch retten?
Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft wird an den schwer erreichten Kompromissen gesägt: Mit der überarbeiteten LULUCF-Verordnung und den erhöhten Senkenzielen (“carbon sinks”) erreichen wir zwar einen prinzipiellen Meilenstein, dennoch haben wir – nach wie vor – keine Vorgaben, wie Waldwirtschaft und Holznutzung tatsächlich in den Mitgliedsstaaten umgesetzt wird. Das ist ein Paradox.
Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten betreiben Kahlschläge immer noch als “normale” Holz-Erntemethode. Ganze Waldflächen werden damit rabiat abrasiert und der Waldboden wird für Jahrzehnte zum Emittenten – und das in Zeiten der Klimakrise und einem massivem Artenverlust. Das belegt auch die von mir in Auftrag gegebene Studie.
Wenn wir die Ziele der Pariser Klimaabkommen und des Green Deals jetzt noch einhalten wollen, müssen wir die “Senkenfunktion” unserer Böden, Landwirtschaft und Wälder enorm verbessern. Kahlschläge als normale Holz-Erntemethode müssen aufhören (in der EU und weltweit), eine naturnahe Waldwirtschaft muss zügig umgesetzt werden. Wir brauchen mehr Mut zu Veränderung – auch im Bereich von Landnutzung und Forstwirtschaft
*Bestandteile des Fit For 55-Pakets: “Die Reform des Emissionshandelssystems (ETS), ein Kohlenstoff-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM); die überarbeitete Verordnung für verbindliche nationale Emissionsreduktionsziele (ESR); ein sozialer Klimafonds (SCF); die überarbeitete Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF), die Ziele für Kohlenstoffsenken festlegt, Emissionsstandards für Autos und Lieferwagen (cars/CO2) sowie zwei Vorschläge zur Regelung der Emissionen des Luftverkehrs im Rahmen des ETS und des Systems zur Kompensation/Reduzierung von Kohlenstoffemissionen im internationalen Luftverkehr (CORSIA).
Gleich mit mehreren Krisen sind wir derzeit konfrontiert: den Folgen einer globalen Pandemie, den negativen sozialen Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs, des Angriffskrieges von Russalands in der Ukraine, die voranschreitende Klimakrise und globale Umweltzerstörungen.
All diese Themen drängen und erfordern dringend mutige und koordinierte Antworten.
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