Durch die Coronakrise stehen unsere Gesellschaft und Wirtschaft vor großen Herausforderungen, um eine Strategie für resilienten Wiederaufbau (#EUrecovery) auszuarbeiten.
Jetzt so kurz vor der Sommerpause, machen sich viele Gedanken, wie es um die Tourismusbranche steht und wie ein Sommerurlaub in diesen Zeiten möglich ist. Wie können wir Tourismus und Gesundheitsschutz miteinander vereinbaren? Welche Bedingungen sind dafür Notwendig und welche Art von Tourismus bietet sich hierfür an?
Ein Blick auf den aktuellen Tourismussektor zeigt, die Branche wurde von der Coronakrise hart getroffen, jedoch besteht jetzt die Chance auf eine tiefgehende und nachhaltige Transformation des Sektors durch die Weiterentwicklung des Ökotourismus.
Die Coronakrise – eine Herausforderung für den Tourismussektor
Die Coronakrise brachte die Tourismusbranche fast zum Erliegen: Die Grenzen wurden seit März zuerst für eine unbestimmte Zeit geschlossen, die Mobilität in manchen EU-Ländern stark eingeschränkt, sowie Tourismus zeitweise sogar untersagt (u.a. Mobilitätseinschränkungen). Und obwohl die innereuropäischen Grenzen nun zum Großteil wieder geöffnet sind und Urlaubsreisen theoretisch wieder möglich sein sollen, haben viele Menschen Bedenken, zu verreisen. Aus einer wirtschaftlichen Perspektive ist das ein großer Rückschlag, für eine Branche, die mehr als 10% der Beschäftigten in Europa ausmacht (ca. 22,6 Mio Menschen). Viele Tourismusunternehmen, Fluggesellschaften und Reisebüros mussten große Verluste verzeichnen, Insolvenz anmelden (60 Prozent der Unternehmen standen Anfang Mai 2020 kurz vor einem Insolvenzantrag) und/oder sich neu erfinden.
Damit stehen wir PolitikerInnen in der Verantwortung, zu handeln und Unterstützung zu bieten. Dennoch gilt es, nicht nur die wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern die globalen Effekte des Tourismus in der Formulierung unserer Antworten auf die Krise mit einzubeziehen. Denn aus einer Nachhaltigkeitsperspektive wird erkenntlich, dass die Entwicklungen des Tourismus hin zum Massentourismus kritisch für die Umwelt und Natur und den Erhalt unserer Artenvielfalt sind. Der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2), der durch touristisch bedingten Verkehr entsteht, trägt maßgeblich zum Klimawandel bei. Der Massentourismus bzw. Übertourismus können zudem in ihrer ausgeprägten Form für die Zerstörung von Landschaften und u.U. kultureller und historischer Sehenswürdigkeiten beitragen. Beispielsweise am Machu Picchu, Perus legendäre Inka-Zitadelle, hat der große Touristenansturm Spuren hinterlassen (Tritte tausender Touristen-Füße täglich auf den engen Pfaden, unerlaubte Müllentsorgung in den alten Ruinen-Mauern….), sodass seit 2018 eine Besucherbegrenzung eingeführt werden musste. Auch kennen wir es von eigenen Reisen, wer schon mal im Louvre die Da Vinci’s Mona Lisa besichtigt hat oder den Vatikan in Rom: Man wünscht sich, man könnte das Weltkulturerbe “in Ruhe” genießen, statt langen Warteschlangen oder großen Menschenansammlungen. Klar ist, es gibt deutlich angenehmere Alternativen!
Eine große Mehrheit der Deutschen erwägt es, diesen Sommer auf den internationalen Tourismus zu verzichten und stattdessen Urlaub im eigenen Land vorzunehmen. Könnte das eine Chance für eine nachhaltige Wende im Tourismus sein?
Ökotourismus bzw. Sanfter Tourismus als Gegenmodell zum Massentourismus
Der Ökotourismus bietet sich als passende Alternative neu und – so betrachtet – als “positive” Entwicklung aus der Corona Krise an – mit der wir nicht auf den langersehnten Sommerurlaub verzichten müssen.
Die Bandbreite an Möglichkeiten in Deutschland ist groß: Zwischen dem Königsee in Bayern, das den Fjorden Norwegen ähnelt , die Lüneburger Heide, die die größte zusammenhängende Heidefläche in Europa ist, die romantische Insel Rügen, den Wattenmeer in Niedersachsen und Schleswig Holstein, und die Feengrotten in Schleswig-Holstein, um einige zu benennen, Deutschland bietet eine Vielzahl an Atemberaubenden Landschaften. Dies sind vielzählige Gelegenheiten, um aus dem Alltag auszubrechen – Abenteuer und Entspannung zugleich.
Der Ökotourismus bietet die einzigartige Möglichkeit, unberührte Natur, atemberaubende Landschaften zu erleben oder den lokalen Charme abgelegener Ortschaften, in denen wir in die örtliche Kultur, Tradition und Menschen mit Faszination eintauchen können – fernab von unserem gewöhnlichen Alltagsroutinen. Eine Auszeit für unsere Gedanken, unsere Seele und unsere Lunge an der frischen Luft.
Denn dadurch können wir gleichzeitig unsere Umwelt schützen und die regionale Wirtschaft nachhaltig unterstützen. Wir können Tourismus neu denken, in dem die Biodiversität und die besonderen Landschaften vor Ort neu entdeckt, geschätzt und gefördert werden. Mit nachhaltigem Tourismus kann die Bevölkerung vor Ort neue Einkommensmöglichkeiten schaffen, die Naturvielfalt erlebbar machen und dabei das Verständnis für den Naturschutz in den unterschiedlichen Regionen prägen.
Auch bietet der Ökotourismus die Chance, unseren Co2 Fußabdruck maßgeblich zu reduzieren, denn Urlaub bedeutet nicht, jedes Mal in die Ferne fliegen zu müssen.
Ökologischer Tourismus bedeutet also nicht nur ökologisch betrachtet nachhaltig zu handeln, sondern auch sozial, kulturell und wirtschaftlich. Also warum nicht!
In Deutschland und ganz Europa ist Ökotourismus vielerorts möglich, besonders in Regionen, die schon immer für ihre Landschaften bekannt waren, wie der Schwarzwald oder das Wattenmeer an der Nordseeküste und Nationalparks und Biosphärenreservate europaweit. Wir sollten uns ab und zu eine Auszeit in der Nähe (oder wenige Fahrstunden entfernt), fernab der Hektik zu gönnen.
Einer Studie von Statista zufolge, waren 2019 57 Prozent der befragten Urlauber aus dem deutschsprachigen Raum der Meinung, dass Urlaubsreisen möglichst sozial verträglich, ressourcenschonend und/oder umweltfreundlich sein sollten. Wie sieht es aber mit der tatsächlichen Umsetzung aus? Dafür müssen wir die Weichen stellen, um den Ökotourismus auch finanziell wettbewerbsfähig und für alle zugänglich zu gestalten.
Bei der Betrachtung des Tourismussektor und dessen Auswirkungen müssen wir zahlreiche Bereiche wie Mobilität, Unterbringung und Verpflegung im Verhältnis zu Umweltbelastungen und -auswirkungen betrachten. Wir sollten die Gelegenheit nutzen, um den Tourismus neu zu gestalten hin zu einem nachhaltigen Tourismus.
Im EU Parlament nachhaltigen Tourismus fördern
Im Verkehrs- und Tourismusausschuss des EU Parlaments debattieren wir aktuell über die Zukunft der Tourismusbranche. Wir Grüne wollen diese nachhaltiger und umweltschonender gestalten: Ökotourismus fördern – einen Tourismus, bei dem die Natur im Mittelpunkt steht.
Am 19. Juni 2020 verabschiedeten wir eine Resolution zum “Verkehr und Tourismus in und nach 2020. Darin heißt es:
„Die gegenwärtige Krise stellt auch eine historische Chance dar, den Tourismus in der EU zu modernisieren (…) ihn nachhaltiger und für Menschen mit Behinderungen zugänglicher zu machen. Der Tourismus sei ein wichtiger Sektor, der zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 beitragen könne und die “Entwicklung eines nachhaltigen, verantwortungsvollen und zugänglichen Tourismus” ermögliche.1 Dafür fordern wir im EU Parlament “die Kommission auf, u.a. eine EU-Kommunikationskampagne zum Thema Reisen und Tourismus zu starten (z.B. durch eine EU-weite Informations-App). (Langfristig sollen Reisen innerhalb der EU gefördert, das Vertrauen der BürgerInnen in Reisen und Tourismus während der COVID-19-Zeit wieder hergestellt, Touristen über die bestehenden Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen aufzuklären und nachhaltige und kohärente Standards einzubringen.)
Weitere Inspirationen für Ökotourismus.: https://www.travelcircus.de/urlaubsziele/oekoreisen-in-deutschland-und-europa/
Quellen:
Resolution: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0169_EN.html
Pressemitteilung: https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200615IPR81232/parliament-requests-further-action-to-save-eu-tourism
https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/nachhaltiger-tourismus#bedeutung-des-tourismus
https://www.bmu.de/themen/wirtschaft-produkte-ressourcen-tourismus/tourismus-sport/nachhaltiger-tourismus/