Die Automobilindustrie im Wandel: Den Umbau gestalten – Meine Lehren aus dem Online-Kongress
- Die deutsche Automobilindustrie erwirtschaftete in 2019 einen Umsatz von 436 Mrd. Euro, davon entfielen 79,7 Mrd. Euro auf Zulieferbetriebe.
- Rund 13,8 Mio. Menschen sind europaweit direkt und indirekt in der Automobilbranche beschäftigt, in Deutschland sind es ca. 832.000 Beschäftigte.
- Im Jahr 2020 waren 1,8 % der Neuzulassungen in Deutschland Elektrofahrzeuge. In Europa betrug im Jahr 2019 der Anteil an Elektroautos (Batterie & Plug-in-Hybride), die neu zugelassen wurden 3,46 %.
Die Automobilwirtschaft ist ein Motor für Wohlstand, Beschäftigung und Innovation in der EU. Aber sie muss sich zügig wandeln, um das auch in Zukunft zu bleiben. Das ist für mich eine der zentralen Botschaften des Online-Kongresses zur Automobilindustrie, den ich am 28. Januar gemeinsam mit meinen Kolleginnen Henrike Hahn MdEP und Viola von Cramon-Taubadel MdEP und vielen spannenden Gästen abgehalten habe (das volle Programm findet Ihr unten).
In unserem zweiteiligen Kongress wollten wir mit Vertreter*innen der Industrie, von Gewerkschaften, aus der Politik, der Forschung und der Zivilgesellschaft erörtern, wie wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen können, sodass das umweltfreundliche und digital vernetzte Auto der Zukunft in Europa gebaut wird. Diese Frage ist gerade jetzt von großer Bedeutung, denn eines ist klar: Die europäische Automobilindustrie befindet sich in einem strukturellen Umbruch. Der Umstieg auf alternative Antriebe, Veränderungen auf dem globalen Markt, Fachkräftemangel, Digitalisierung, Corona-Pandemie: Die Liste der Herausforderungen ist lang und diese haben weitreichende Auswirkungen auf die Industrie und damit auf die Menschen, die direkt und indirekt als Beschäftigte von ihr abhängen.
Wir müssen jetzt auf E-Mobilität setzen, um international nicht den Anschluss zu verlieren
Während der Diskussion wurde schnell klar, dass die Zeit zum Handeln jetzt ist. Gerade bei den Themen E-Mobilität und autonomem Fahren droht Europa, gegenüber der Konkurrenz aus den USA und Asien ins Hintertreffen zu geraten. Dort wurde bereits viel früher in diese Trends investiert, während man in Europa – und gerade auch in Deutschland – noch lange am Verbrennungsmotor festgehalten hat. Dabei ist die internationale Komponente von zentraler Bedeutung. Wie Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende, betonte, sind drei von vier in Deutschland produzierte Autos für den Export bestimmt. Immer mehr Länder, darunter China, das Vereinigte Königreich oder Norwegen, haben bereits Ausstiegsdaten für den Verbrennungsmotor beschlossen. Um auch global erfolgreich zu sein, muss sich die Automobilwirtschaft in Deutschland und ganz Europa darauf einstellen.
Zulieferbetriebe und Arbeitnehmer*innen müssen in einen Dialog zwischen Politik und Industrie eingebunden werden
Vor ähnlichen, wenn nicht gar noch größeren Herausforderungen stehen auch die Zulieferbetriebe. Diese haben als häufig mittelständische Unternehmen nicht den gleichen Investitionsspielraum wie die großen Hersteller und sind somit umso mehr auf zuverlässige und klare Rahmenbedingungen angewiesen. Wie Kathrin Watson von der Robert Bosch GmbH unterstrich, ist der Dialog zwischen Politik und Industrie hierbei zentral. In Baden-Württemberg gelingt dies durch den Strategiedialog Automobilwirtschaft schon sehr gut, dieses Konzept sollten wir auch auf europäischer Ebene anwenden.
Der nötige Umstieg auf Elektromobilität kann allerdings nur gelingen, wenn wir alle Beteiligten ins Boot holen. Thorsten Gröger (Bezirksleiter IG Metall Niedersachsen & Sachsen-Anhalt) wies zurecht darauf hin, dass wir bei dem Umbau auch Perspektiven für die Beschäftigten brauchen. Aus meiner Sicht ist es essenziell, dass wir durch gezielte Talentförderung und Weiterbildungen unsere Expertise im Bereich Maschinenbau mit zusätzlichen Kompetenzen im Bereich Softwareentwicklung ergänzen. Denn nur, wenn wir qualifizierte Fachkräfte vor Ort haben, werden wir auch Produktion und Forschung vor Ort halten können.
Für den Umstieg auf E-Mobilität brauchen wir Infrastruktur und Akzeptanz
Für den Ausbau der Elektromobilität sind natürlich auch die Verbraucher*innen von großer Bedeutung. Wie Hildegard Müller (Präsidentin des VDA) anmerkte, müssen wir zum Beispiel beim Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht nur auf die Bedürfnisse der städtischen Bevölkerung, sondern auch auf jene der Menschen auf dem Land achtgeben. Wilko Stark, Senior Advisor bei Bain & Company und Experte für Elektromobilität, sah bei der Ladeinfrastruktur vor allem die Politik in der Pflicht.
Das Auto der Zukunft fährt selbst und vielleicht teilen wir es auch mit anderen
Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Wandel in der Automobilindustrie noch viel tiefgreifender sein wird. Innovative Konzepte wie autonomes Fahren oder Mobility as a Service (MaaS) werden auch Einfluss darauf haben, wie, wann und wofür wir Autos nutzen und mit wem wir sie teilen. Darauf wies Dr. Mario Herger im zweiten Teil unseres Online-Kongresses hin. In seinem Beitrag zu technologischen Trends im Silicon Valley in Kalifornien betonte er, dass auch die europäische Automobilindustrie hier zukunftsorientiert denken müsse. Aber auch aus einer verkehrspolitischen Betrachtung erwächst hier Änderungsbedarf. Wie Doris Holler-Bruckner (Präsidentin des Bundesverbands Nachhaltige Mobilität Österreich) es treffend formulierte: „Neue Elektroautos sind Smartphones auf vier Rädern, die 23 Stunden herumstehen. Für eine Verkehrswende müssen wir sie besser nutzen!“
Hier die Links zum Nachschauen der Veranstaltung:
Teil 1: Die Automobilindustrie im Wandel – Den Umbau gestalten (DE)
Teil 2: The Transition of the Automotive Industry – Being the Change (EN)
Vollständiges Programm – Der Wandel in der Automobilindustrie – Transition of the Automotive Industry