- Die neue Kommissionsstrategie definiert Visionen und Ziele in der europäischen Verkehrspolitik
- Um den Verkehr nachhaltiger zu gestalten, will die Kommission mehr emissionsfreie Fahrzeuge, eine Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel (z. B. die Schiene) sowie die Umsetzung des “Verursacherprinzips”.
- Die Strategie zeigt gute Ansätze, die Krux liegt aber in der konsequenten Umsetzung.
Am 09. Dezember hat die Europäische Verkehrskommissarin Adina Vălean die neue „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität“ vorgestellt. Die Strategie ist von zentraler Bedeutung für die europäische Verkehrspolitik, da sie konkrete Ziele und Visionen für das Verkehrssystem der Zukunft formuliert und die Handlungen der Europäischen Kommission leitet. Sie ersetzt das „Weißbuch des Verkehrs“ vaus dem Jahr 2011, welches bisher als Grundlage europäischer Verkehrspolitik diente. Im Vorfeld hatte die Kommission eine öffentliche Konsultation durchgeführt, in dessen Rahmen Bürger*innen, Unternehmen, NGOs und andere private und öffentliche Akteure ihre Anliegen einbringen könnten. Im Ergebnis enthält die jetzt veröffentlichte Strategie viele gute Ansätze, lässt aber auch noch einige Fragen offen.
Verkehr der Zukunft: Nachhaltig. Intelligent. Widerstandsfähig.
In der Strategie beschreibt die Europäische Kommission ihre Vision eines nachhaltigen, intelligenten und widerstandsfähigen EU-Verkehrssektors sowie vierzehn Meilensteine zur Verwirklichung dieser Vision bis zum Jahre 2050 (siehe weiter unten). Im Anhang sind zudem konkrete Vorhaben aufgelistet, welche die Kommission in den nächsten Jahren umsetzen möchte.
Nachhaltiger Verkehr: Alles soll grüner werden
Im Bereich Nachhaltigkeit bekennt sie sich dazu, die Treibhausgasemissionen bei allen Verkehrsträgern senken zu wollen, um das Ziel einer 90 %-igen Emissionsreduktion im Verkehr bis 2050 zu erreichen. Dafür sollen alle Verkehrsträger auf emissionsfreie Fahr- bzw. Flugzeuge umsteigen. 2030 sollen bereits 30 Millionen lokal emissionsfrei fahrende Autos unterwegs sein. Außerdem möchte die Kommission mehr Personen- und Güterverkehr auf umweltfreundliche Verkehrsträger wie die Schiene verlagern. Größere Städte sollen bis 2030 klimaneutral und städtische Mobilität multimodal werden.
Bis zum Jahr 2050 sollen zudem alle externen Kosten des Verkehrs internalisiert werden. Das heißt, dass die Kosten, welche die Gesellschaft aktuell in Form von CO2-Emissionen, Umweltverschmutzung, etc. trägt, gemäß dem Verursacherprinzip den tatsächlichen Nutzer*innen angelastet werden sollen.
Digitaler Verkehr: Mehr Vernetzung und Automatisierung
Der europäische Verkehrssektor soll digitaler werden und somit Effizienz, Komfort und Sicherheit steigern. Das beginnt bei dem integrierten, papierlosen Fahrkartenkauf über Ländergrenzen hinweg und für verschiedene Verkehrsträger, gilt aber auch für wichtige Themen im Güterverkehr. Hier ist zum Beispiel die flächendeckende Installation des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS ein wichtiges Ziel. Darüber hinaus soll ein fruchtbarer Nährboden für die Nutzung von Verkehrsdaten, künstlicher Intelligenz und Drohnen geschaffen werden.
Widerstandsfähige Mobilität: Binnenmarkt und Infrastruktur stärken
Der durch die Corona-Pandemie schwer getroffene Verkehrssektor soll durch Investitionen gestärkt und fit für die Zukunft gemacht werden. Die Kommission beziffert den zusätzlichen Investitionsbedarf für emissionsfreie Fahr-/ und Flugzeuge sowie Schiffe und neue Ladeinfrastruktur auf jährlich 130 Mrd. Euro bis 2030 im Vergleich zum Zeitraum 2011-2020. Allein um den sogenannten Kern der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) fertigzustellen, seien in den nächsten zehn Jahren 300 Mrd. Euro an Investitionen nötig. Die Transeuropäischen Verkehrsnetze sind die Hauptverkehrsadern, die Europa durchziehen und einen Großteil des Personen- und Güterverkehrs schultern.
Mobilität soll darüber hinaus gerecht und bezahlbar bleiben, Passagier- ebenso wie Arbeitnehmer*innenrechte sollen geschützt werden. Auch die Verkehrssicherheit soll weiterhin verbessert werden. So hält die Kommission weiterhin am Ziel von beinahe null Toten im Straßenverkehr bis 2050 fest.
Klingt gut, aber…
Die Kommission hat sich in der neuen Strategie ambitionierten Zielen in beinahe allen Bereichen des europäischen Verkehrs verschrieben. Der Teufel liegt aber – wie so häufig – im Detail. Denn die Erreichung dieser Ziele ist mit den angegebenen Maßnahmen keinesfalls gesichert. Gerade im umweltschädlichen Flugverkehr sind die technologischen Entwicklungen und damit verbundene Emissionssenkungen nicht verlässlich vorhersehbar. Zudem gibt es kein Auslaufdatum für den Verbrennungsmotor, womit man den Automobilherstellern und Konsument*innen klare Signale zur Umstellung auf nachhaltige Antriebe hätte senden können. Aus diesen Gründen hätte der Fokus noch stärker auf den bereits umweltfreundlichen Verkehrsträgern, wie der Schiene und dem öffentlichen Verkehr, liegen sollen.
Richtige Instrumente braucht die Verkehrswende
Auch und gerade bei den finanziellen Anreizen für klimafreundliche Mobilität hängt vieles von der letztendlichen Ausgestaltung der Instrumente ab. So müssen die Preise im europäischen Emissionshandel deutlich steigen, bevor sie in der Seeschifffahrt und dem Flugverkehr wirksame Anreize zur Emissionsreduktion setzen. Deshalb wäre auch ein klareres Bekenntnis zur Kerosinsteuer das richtige Zeichen gewesen, um die ungerechtfertigte Bevorteilung und klimaschädliche Subventionierung des Flugverkehrs gegenüber der Bahn zu beenden. Nur so können wir einen fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern gewährleisten, bei denen der Preis auch die ökologischen Folgen für Umwelt und Klima abbildet.
Das sind die vierzehn Meilensteine der Kommissionsstrategie:
- Bis 2030 sollen mindestens 30 Millionen lokal emissionsfreie Autos und 80.000 lokal emissionsfreie LKWs auf Europas Straßen fahren.
- Bis 2050 sollen fast alle Autos, Vans, Busse und LKWs lokal emissionsfrei unterwegs sein.
- Große emissionsfrei operierende Schiffe und Flugzeuge sollen bis 2030 bzw. 2035 marktreif sein.
- Geplante Kollektivreisen innerhalb der EU über Distanzen von unter 500 km soll bis 2030 klimaneutral sein.
- Das Volumen des Hochgeschwindigkeitsbahnverkehrs soll sich bis 2030 verdoppeln und bis 2050 verdreifachen.
- Bis 2030 soll es mindestens einhundert klimaneutrale Städte in Europa geben.
- Der Schienengüterverkehr soll bis 2030 um 50 % wachsen und sich bis 2050 verdoppeln.
- Die Binnenschifffahrt und die Kurzstreckenseefahrt sollen bis 2030 um ein Viertel und bis 2050 um die Hälfte wachsen.
- Intermodaler wasserbasierter Verkehr und intermodaler Schienenverkehr sollen bis zum Jahr 2030 wettbewerbsfähig im Vergleich zum Straßenverkehr sein. Güterverkehr soll bis dahin vollkommen digitalisiert sein.
- Alle externen Kosten des Verkehrs innerhalb der EU sollen bis 2050 vollständig durch die Nutzer*innen getragen werden.
- Bis 2030 sollen integrierte elektronische Fahrkarten reibungslosen multimodalen Personenverkehr ermöglichen. Der Güterverkehr soll papierlos abgewickelt werden.
- Bis 2030 soll autonome Mobilität weit verbreitet sein.
- Ein multimodales transeuropäisches Verkehrsnetz, ausgestattet für nachhaltigen und intelligenten Verkehr mit Hochgeschwindigkeitsverbindungen, soll bis 2030 für das TEN-T-Kernnetz und bis 2050 für das gesamte TEN-T-Netz einsatzbereit sein.
- Bis 2050 soll die Zahl der Verkehrstoten für alle Verkehrsträger auf beinahe null sinken.
Link zur neuen Kommissionstrategie (EN):
https://ec.europa.eu/transport/themes/mobilitystrategy_en