- Geflüchtete aus der Ukraine können kostenlos mehr als 40 Fernzugverbindungen zwischen Ost- und Westeuropa nutzen
- Mitte März haben schon rund 100.000 Geflüchtete das Angebot kostenloser Zugreisen innerhalb Deutschlands genutzt
- Rund 350 Tonnen Hilfsgüter werden täglich über die “Schienenbrücke” der DB in die Ukraine geliefert
Seit dem 24. Februar herrscht Krieg in der Ukraine. Der Angriff Russlands auf sein Nachbarland ist eine völkerrechtliche und humanitäre Katastrophe sowie eine logistische Herausforderung für die EU. Die Versorgungslage in Städten wie der Hauptstadt Kyjiw ist äußerst angespannt. Mehr als drei Millionen Menschen haben das Land bereits verlassen. Hilfsgüter und Spenden müssen in die Ukraine transportiert und tausende Zivilisten aus dem Land evakuiert werden. Zahlreiche europäische Bahnunternehmen haben deshalb die Initiative ergriffen den betroffenen Menschen zu helfen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag die Ukraine in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen.
Freie Fahrt für Flüchtlinge aus der Ukraine
Millionen Menschen versuchen aktuell, die Ukraine zu verlassen. Zwischen Kyjiw, Lviv und weiteren ukrainischen Städten sowie den westlichen Nachbarstaaten des Landes existieren derzeit direkte Bahnverbindungen zur Evakuierung. Um es den vor dem Krieg in der Ukraine flüchtenden Menschen zu ermöglichen, sich in Europa zu bewegen und sich außerhalb ihres Heimatlandes in Sicherheit zu bringen, versprachen Bahnunternehmen aus verschiedenen Ländern(wie z.B. Deutsche Bahn, die SNCF, ÖBB, RegioJet, FlixTrain und viele weitere), die Geflüchteten kostenlos in ihren Zügen zu befördern. Das soll es den Betroffenen unter anderem erleichtern, sich unbürokratisch und schnell zu ihren Verwandten oder Bekannten in Europa zu begeben.
Kooperationen zwischen europäischen Bahnunternehmen und der Ukraine sind dabei nicht neu. Bereits 2020 unterzeichnete die DB mit der ukrainischen JSC Ukrzaliznystia ein „memorandum of understanding“, welches eine strategische Partnerschaft zwischen den beiden Unternehmen besiegelte. Demzufolge sollte die DB die ukrainische Bahngesellschaft bei ihrer Modernisierung, Restrukturierung und Transformation hin zu einem serviceorientierten und rentablen Unternehmen unterstützen. Heute, zwei Jahre später, ist dieses Ziel in den Hintergrund gerückt. Nichtsdestotrotz stehen die DB und andere an der Seite des ukrainischen Volkes.
Per Nachtzug in die Ukraine – eine humanitäre „Landbrücke“ auf der Schiene
Während das freie Reisen innerhalb Europas vor allem den Ukrainerinnen und Ukrainern hilft, denen es bereits gelungen ist, das Land zu verlassen, benötigen innerhalb der Ukraine noch immer zehntausende Menschen Hilfe. Nahrungsmittel, Trinkwasser, Hygieneprodukte, Schlafsäcke, oder medizinische Produkte sind in vielen Städten und Regionen des Landes seit Kriegsbeginn Mangelware und werden dringend benötigt. Darauf hat das tschechische Unternehmen RegioJet mit der Schaffung einer „Landbrücke“ auf Schienen in die Ukraine reagiert. Seit Anfang März fährt jeden Abend ein Nachtzug von Prag an die ukrainische Grenze, um Hilfsgüter in das vom Krieg erschütterte Land zu befördern. Gleichzeitig können auf dem Rückweg nach Tschechien Menschen aus der Ukraine evakuiert werden. Insgesamt werden in den bis zu 10 Güterwaggons und den 10 Schlafwagen somit jede Nacht 600 Palletten Hilfsgüter in die Ukraine und rund 400 Menschen aus der Ukraine gebracht.
Regiojet ist nicht das einzige europäische Bahnunternehmen, welches sich für den Transport von Hilfsgütern in die Ukraine einsetzt. So hat die DB am elften März ihre „Schienenbrücke“ in Gang gesetzt. Dabei werden Spenden aus ganz Deutschland kostenlos per Zug in die Ukraine transportiert. Pro Fahrt können somit rund 350 Tonnen Hilfsgüter in die betroffenen Gebiete befördert werden.
Nächster Halt – Unbekannt: die Schwierigkeiten der Evakuierung per Zug
Trotz guten Willens und großer Anstrengungen vonseiten der verschiedenen Bahnunternehmen läuft bei der Hilfe über die Schiene nicht alles rund. So haben sich beispielsweise mit Blick auf die Ankunft von Geflüchteten in Deutschland über die polnische Grenzstadt Stettin einige Probleme gezeigt. Während täglich tausende Menschen in Stettin ankommen und per Zug die Grenze nach Deutschland überschreiten wollen, ist die Bahnstrecke zwischen Passow und Stettin momentan nicht befahrbar. Dies erschwert die Reise der Flüchtlinge nach Berlin enorm: entweder müssten sie zwischen der Deutsch-Polnischen Grenze den Schienenersatzverkehr nutzen, oder sie müssten lange Umwege per Zug in Kauf nehmen. Logistisch sind für die Weiterreise tausender Geflüchteter pro Tag beide Alternativen nicht geeignet.
Es erscheint zudem erstaunlich, dass viele Geflüchtete mit herkömmlichen Zügen über verschiedene Etappen von Stadt zu Stadt reisen müssen, um an ihr Ziel zu kommen. Somit kommen nach wie vor überproportionale viele Menschen in Berlin an, anstatt, dass sie direkt mit Sonderzügen von Polen nach Deutschland reisen und sich die Ankunft auf viele Städte verteilt.
Die Lücken des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs
Die aktuelle Situation zeigt die logistischen Probleme grenzüberschreitenden Schienenverkehrs in Europa wie unter einem Brennglas. Noch immer gibt es zu viele “Missing links” – Lücken im europäischen Schienennetz, die den Schienenverkehr zwischen den europäischen Staaten behindern. Häufig fehlen nur wenige Kilometer Gleisinfrastruktur oder eine grenzüberschreitende Abstimmung des Betriebs, um eine Alternative zum Auto zu bieten. Aber auch technische Unterschiede und eine fehlende Harmonisierung gewisser Standards (z.B. Schienenbreite) machen grenzüberschreitenden Schienenverkehr an vielen Stellen unmöglich. Wir als Grüne setzen uns in der EU dafür ein, dass das europäische Schienennetz ausgebaut, technische Standards harmonisiert und damit grenzüberschreitendes Reisen und Begegnungen mit der Bahn für alle erleichtert wird und auch damit die Bahn in der Not noch leistungsfähiger sein kann.