Pressmitteilung, Straßburg 12.3.2023
Soeben hat das Parlament für die grenzüberschreitende Zulassung von Gigalinern gestimmt, morgen steht die Abgasnorm Euro 7 auf dem Plan. Die grüne EU-Verkehrspolitikerin Anna Deparnay-Grunenberg kommentiert:
„Ich halte es für absurd, dass die Monsterdinger in der ganzen EU über die Straßen kriechen sollen. Dieses Gesetz würde bedeuten, dass wir Tunnel, Kurven, Rastplätze für Milliarden von Euro umrüsten müssten. Eine Anti-Klimainvestition!
Gerade für Deutschland ist das eine irrsinnige Idee. Der liberale Verkehrsminister Volker Wissing scheitert jetzt schon daran, die Verkehrs-Infrastruktur in Stand zu halten, geschweige denn die Schiene auszubauen, auf der wir effizienter und umweltfreundlicher Güter transportieren können. Ich hoffe sehr, dass dieses Gigaliner-Gesetz bei den Verhandlungen mit Rat und Kommission noch auf der Strecke bleibt.
Allerdings ist gerade eine liberal-konservative Mehrheit bereit, jegliche Umweltstandards dem Wachstumsparadigma in seiner primitivsten Auslegung zu opfern. Das werden wir gleich morgen wieder erleben, wenn aller Voraussicht nach die skandalös schwache Euro-7-Norm abgesegnet wird.
Die „neue“ Norm unterscheidet sich kaum von Euro 6. So viel Pseudo-Regulierung ist reinstes Greenwashing. Ironischerweise hat das Parlament sich soeben auch für eine Richtlinie* ausgesprochen, die Unternehmen eben jenes Greenwashing untersagen will.
Wir bekommen gerade einen Vorgeschmack darauf, wie es die nächsten fünf Jahre mit Europas Verkehrspolitik weitergehen soll: So, als gäbe es kein Morgen.”
Hintergrund Gigaliner:
· Der Vorstoß zu den Gigalinern ist Teil eines Gesetzespakets, das angeblich der „Ökologisierung des Güterverkehrs” dienen soll. Die Kommission hat es im Juli vergangenen Jahres vorgelegt https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_3767
· Nachdem das Parlament heute seine Position bestimmt hat, wird der Rat versuchen, bis Juni seine „generelle Ausrichtung“ zu finden. Die Triloge, das heißt die Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission, beginnen erst in der nächsten Legislatur.
· Gigaliner sind besonders große Lkw mit mehr als 25 Meter Länge und können dadurch mehr Gewicht transportieren. Sie sind fast neun Meter länger als klassische Lkw.
· Derzeit sind Gigaliner nur in einigen Mitgliedsstaaten zugelassen. In Deutschland dürfen sie seit 2017 bereits auf ausgewählten Strecken verkehren. Dazu zählen insbesondere Autobahnen aber auch viele Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. Mit dieser Richtlinie versuchen manche Mitgliedsländer nun, Gigaliner auch grenzübergreifend zuzulassen.
· 2014 lehnte das EU-Parlament schon einmal einen Vorstoß der Kommission ab, grenzübergreifenden Gigalinerverkehr zu ermöglichen.
https://www.spiegel.de/auto/aktuell/gigaliner-lastwagen-mit-ueberlaenge-duerfen-eu-grenzen-nicht-passieren-a-964554.html
Hintergrund Euro 7:
· 1992 wurde die erste EU-Abgasnorm verabschiedet. Derzeit gilt die Variante Euro6d. Die heute vom Parlament abgesegnete Nachfolgeregel Euro 7 soll 2031 in Kraft treten.
· Schon die Vorlage der Kommission für Euro 7 war unambitioniert. Sie enthält vor allem ein paar Verbesserungen bei der Testmethodik, blieb aber bei den Abgaswerten hinter den Erwartungen zurück.
· Der Umweltausschuss hat mit einer Mehrheit – angeführt von CDU, FDP und AfD – den Vorschlag weiter verwässert. So erlaubt er doppelt so hohe Stickoxid-Emissionen wie die Kommission vorschlug.
· Der Kommissionsvorschlag würde die Autoindustrie 90 bis 150 Euro pro Fahrzeug kosten. Ein ambitioniertes Euro 7 wäre ungefähr mit 300 Euro zu Buche geschlagen. Die Filtertechnik ist so fortgeschritten, dass man leicht 50 Prozent mehr Stickstoffe herausfiltern könnte.
· Stickoxiden werden allein in der EU 430.000 Tote pro Jahr zugeschrieben, bei Berücksichtigung der WHO-Empfehlung könnten die Zahlen um 60 Prozent sinken.
* Die Richtlinie gegen Greenwashing heißt exakt „Richtlinie über Umweltaussagen“, nachzulesen hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52023PC0166).