Was verstehe ich unter „Missing Links“ im europäischen Bahnnetz?
An den innereuropäischen Grenzen wimmelt es von Lücken im Eisenbahnnetz. 149 von 365 der europäischen grenzüberschreitenden Bahnverbindungen sind nicht betriebsfähig. Kriegs- und Nachkriegszeit haben immer noch Wunden hinterlassen. Oftmals handelt es sich hierbei um vermeintlich kleine grenzüberschreitende Verbindungen, abseits der prestigeträchtigen Großprojekte im Transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN-V Netz). Häufig fehlen nur wenige Kilometer Gleisinfrastruktur oder eine grenzüberschreitende Abstimmung des Betriebs, um eine Alternative zum Auto zu bieten. Die stillgelegte Strecke zwischen Rastatt und Hagenau ist nur ein Beispiel, wo man mit wenig Geld viel erreichen kann. Diese vermeintlich „kleinen“ Projekte hätten einen großen Nutzen für das grenzüberschreitende Kennenlernen der Menschen und entlasten zugleich die Umwelt bei deutlich geringeren Kosten.
Kann der Konnektivitätsindex für die Schiene die Lückenschlüsse zu beschleunigen?
Die im Rahmen des „Europäischen Jahr der Schiene“ anberaumte Konferenz „Grenzüberschreitende Eisenbahnverbindungen: Förderung der Kohäsion zwischen Regionen und ihren BürgerInnen“ hat gezeigt, dass die Nachfrage nach Lückenschlüsse weiterhin hoch ist. So war es wenig überraschend, dass ein ganzes Panel ausschließlich den „Missing Links“ gewidmet war. Unzählige Anfragen erreichen mich aus ganz Europa unabhängig zur Konferenz! Ich durfte die einleitenden Worte halten und mahnte passgenaue bzw. gesicherte Finanzierungsinstrumente auf EU-Ebene für die “Missing Links” ein. Aufwind erhoffe ich mir auch mit dem ebenso im Rahmen des Jahr der Schiene beschlossenen Konnektivitätsindex für die Schiene. Dieser Index soll auch dafür genutzt werden, Lücken im europäischen Schienennetz zu identifizieren, um hoffentlich künftig Investitionen in diese „Missing Links“ zu erleichtern.
Groß- und nationale Bahnprojekte werden zu Lasten der “Missing Links” favorisiert
Leider stellt es sich bisher als zu schwierig heraus, europäische Mittel für die „Missing Links“ aufzutreiben. Sie liegen in aller Regel nicht auf den großen Europäischen Verkehrskorridoren, wodurch der Abruf von EU-Fördermittel erschwert wird. Ebenso müssen sich Lückenschlüssen im EU-Bahnnetz oftmals hintenanstellen, weil nationale Bahnprojekte von den Mitgliedsländern bevorzugt werden.
Zentrales Finanzierungsinstrument ist hier die „Connecting European Facility“ (CEF). Die Überarbeitung wurde kürzlich im Plenum verabschiedet. Bahnprojekte sollen nur verstärkt angegangen werden, was zu begrüßen ist. Großprojekte wie Lyon-Turin sollen aber weiterhin priorisiert werden. Für eine Handvoll mehr Züge wird mit Kosten von bis zu €26 Mrd. (Stand: 2012) gerechnet. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wie bereits in der Vergangenheit, dennoch spezielle CEF-Calls für die Missing Links erfolgen werden!
Attraktive grenzüberschreitende Bahnverbindungen brauchen mehr als eine gute Infrastruktur – BW geht voran
Die Schließung von Lückenschlüssen ist noch keine Garantie für einen Erfolg der Strecke. Das Angebot muss auch attraktiv gestaltet werden: dichter Takt, leichtes Ticketing, moderne Fahrzeuge usw. . Leider stellt dies gerade im grenzüberschreitenden Schienenpersonennahverkehr eine Herausforderung dar. Unterschiedliche Signaltechniken oder Verantwortlichkeiten beidseits der Grenzen sind nur zwei Beispiele. Baden-Württemberg, Reihland-Pfalz, das Saarland und Grand-Est investieren gemeinsam in Züge, die künftig das Rückgrat für den grenzüberschreitenden deutsch-französische Nahverkehrsangebot Schienenpersonenverkehr sein werden. Bis Dezember 2024 sollen sieben durchgehenden Streckenverbindungen an den Start gebracht werden. So sieht europäische Kooperation aus!