- Das Artensterben hat mittlerweile dramatische Auswirkungen angenommen. Täglich sterben über 100 Pflanzen oder Tierarten unwiederbringlich aus.
- Eine neue EU-Biodiversitätsstrategie wird gerade erarbeitet
- Unsere Landwirtschaft hat einen starken Einfluss auf die Artenvielfalt: Wir fordern die Agrarwende und das Ende von industriellen Agrarfabriken und maßlosem Gift auf den Äckern
Die biologische Vielfalt unseres Planeten bildet die Grundlage für unsere menschliche Existenz und unser Wohlergehen. Eine intakte Natur und funktionierende Ökosysteme sind nicht nur das Fundament für unsere Nahrung, für saubere Luft und sauberes Wasser, sondern auch unsere beste Versicherung gegen Zoonosen und Pandemien.
Biologische Vielfalt oder Biodiversität sichert lebenswichtige Dienstleistungen der Natur
Der Weltbiodiversitätsrat schlug 2019 Alarm: Innerhalb der nächsten Jahrzehnte könnten eine Million aller Tier- und Pflanzenarten von unserem Planeten verschwinden. Deshalb spricht man bereits von einem sechsten Massensterben. Bereits fünfmal zuvor stand das Leben auf der Erde am Rande der Vernichtung. Doch gibt es entscheidende Unterschiede zu früher: Das heutige Artensterben ist vom Menschen verursacht und vollzieht sich in einem rasenden Tempo. Während die früheren Ereignisse sich über bis zu hunderttausend Jahren zogen, hat das aktuelle Artensterben mit der Industrialisierung eine enorme Geschwindigkeit aufgenommen. Laut dem IPBES 2018 sind die weltweite Überbevölkerung, die Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden, sowie der Klimawandel verantwortlich für den stetigen Verlust an Biodiversität.
Die Lage ist also äußerst dramatisch und erfordert, dass wir ganzheitlich und schnell handeln. Das hat auch die Europäische Kommission erkannt und stellte im Mai 2020 eine ambitionierte Biodiversitätsstrategie 2030 vor. Herz der Strategie ist die für den Natur- und Klimaschutz dringende Renaturierung von Mooren, Grünlandflächen, naturnahen Wäldern und Meeresgebieten. Zudem will die EU-Kommission dafür sorgen, dass Schutzgebiete von den Mitgliedstaaten wirksamer geschützt werden. Auch die Pestizidreduktion und der dringende Umbau unseres Ernährungs- und Landnutzungssystems hat die EU-Kommission als Ziele verankert.
Die EU-Kommission zeigt Ehrgeiz beim Schutz der Natur und Artenvielfalt
Nun darf es nicht nur bei Worten bleiben – die Strategie muss auch unverzüglich umgesetzt werden. Dafür braucht es vor allem die politische Bereitschaft der EU-Mitgliedsstaaten. Bei den Verhandlungen im EU-Ministerrat im vergangenen Herbst zeigte sich dabei deutlich, dass die Rettung der Artenvielfalt nicht nur auf Begeisterung stößt. Während die EU-Umweltminister der Strategie Rückenwind gaben, boykottieren die EU-Agrarminister die neuen Schutzziele mit ihren Entscheidungen zur Agrarpolitik, allen voran bei der Verhandlung der GAP. Mit ihrem Widerstand nehmen sie sehenden Auges in Kauf, dass für kurzfristige Agrarprofite ganze Landschaften und Lebensräume zerstört werden und sich damit die Arten- und Klimakrise weiter verschärfen. Das ist dumm und kurzzeitig gedacht, denn eine zerstörte Natur und aus dem Gleichgewicht geratene Ökosysteme bedeuten nachweislich geringere Ernte auf lange Zeit. Umso wichtiger wäre es, dass wir die Landwirtschaft der Zukunft und die Nachhaltigkeit unserer Ernährungssysteme zusammendenken mit der Biodiversitätsstrategie und dem European Green Deal.
Zurzeit erarbeiten wir auch im Europäischen Parlament eine Bewertung der vorgestellten Biodiversitätsstrategie 2030. Daran beteiligt sind insgesamt sieben Ausschüsse, denn der Erhalt der Biodiversität umspannt als Querschnittsaufgabe alle Politikbereiche. Wir können die Biodiversität nur dann umfassend bewahren, wenn wir Anstrengungen in allen gesellschaftlichen Bereichen und in allen politischen Ressorts unternehmen und die Rettung der Vielfalt zu einer zentralen politischen Aufgabe machen. Für die Grünen im Landwirtschaftsausschuss bin ich für die Verhandlungen als Schattenberichterstatterin verantwortlich und freue mich sehr, dass mir diese wichtige Aufgabe anvertraut wurde.
Zeitgemäße Landwirtschaft und Naturschutz sind kein Widerspruch
Längst ist klar: Die Landwirtschaft hat einen immensen Einfluss auf die Biodiversität unseres Planeten. Alle menschlichen Eingriffe in die Natur verändern die Nahrungsgrundlage und Lebensräume von Organismen und greifen damit in unsere Ökosysteme ein. Wenn dieses Eingreifen zu intensiv betrieben wird, gefährden wir die biologische Vielfalt und die Funktionsfähigkeit unserer Ökosysteme.
Heute wird mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands für die Landwirtschaft genutzt. Die industrielle Landwirtschaft nimmt dabei wenig Rücksicht auf die Natur: Wildlebenden Tieren werden Rückzugsräume und Lebensgrundlagen geraubt, der exzessive Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zerstört nicht nur die Böden, verschmutzt unser Grundwasser, sondern tötet auch Insekten, Vögel und Kleintiere und zerstört somit die Nahrungsketten und damit letztendlich auch unsere Lebensgrundlage. Sie gefährdet damit die nachhaltige Versorgung der Menschheit mit Lebensmitteln. Denn die Landwirtschaft profitiert auf vielen Ebenen von funktionierenden Ökosystemen: Belebte, fruchtbare Böden, Bestäuber und Nützlinge in sauberer Luft sowie sauberes Wasser halten natürliche Prozesse im Gleichgewicht und sorgen langfristig für bessere Ernteerträge.
Deshalb fordern wir Grüne schon seit vielen Jahren eine Agrarwende. Wir setzen uns mit all unserer Kraft ein für eine Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie, die Tiere würdig behandelt, das Klima schützt und die Artenvielfalt bewahrt. Unser Leitbild bleibt der ökologische Landbau. Aber auch die konventionelle Landwirtschaft muss auf der gesamten Fläche umweltverträglicher werden
Meine grünen Änderungsanträge fordern deshalb:
- Eine bessere Förderung der ökologischen Landwirtschaft, vor allem auch in der GAP
- Förderung von ökologischer Infrastruktur, um auf mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Gebieten eine hohe Biodiversität zu erreichen
- Strengere Auflagen für die Nutzung von Düngemitteln und Pestiziden
- Eine Tierhaltung, die an die Fläche gebunden ist und ökologische Grenzen respektiert und dabei auf den massenhaften Import von Futtermitteln verzichtet
- Eine faire Verteilung von Agrargeldern zugunsten von Umwelt- und Naturschutz.
- Strenger Schutz von alten Waldbeständen und eine naturnahe Waldbewirtschaftung ohne Kahlschläge
- Entwaldungsfreie Lieferketten für den Import von Agrarprodukten
- Forschungsaktivitäten zur Biodiversität verstärken und Innovationen fördern
Aktuell stecken wir mitten in den Verhandlungen zwischen den verschiedenen Fraktionen. Der bisherige Zeitplan sieht vor, dass der Landwirtschaftsausschuss seine Stellungnahme bis zum 4. März verabschiedet. Auch die anderen Ausschüsse sollen in der ersten Märzhälfte ihre Stellungnahmen beenden, damit der federführende Umweltausschuss bis April Zeit hat, um die diversen Politikfelder zu einem umfassenden Gesamtbericht zusammenzufügen. Das ist ein ambitionierter Zeitrahmen und es gibt wirklich viel zu tun. Deshalb arbeiten wir Grünen Mitglieder im Europäischen Parlament ausschussübergreifend eng zusammen.
In den kommenden Wochen werde ich immer wieder von meiner Arbeit an diesem Dossier berichten und hoffe sehr, dass das Europäische Parlament eine mutige und zukunftsweisende Position verabschieden wird.