Das Fit-for-55-Paket zielt mit mehreren Gesetzesinitiativen darauf ab, das europäische Ziel der Reduzierung von mindestens 55 % der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 zu unterstützen. Eine dieser Initiativen ist die Überarbeitung der LULUCF-Verordnung (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft), die sich mit den CO2-Emissionen der Landwirtschaft aus Acker- und Grünland sowie den Emissionen aus Forstwirtschaft und Feuchtgebieten befasst.
Der Ausschuss für Landwirtschaft (AGRI) im Europäischen Parlament stimmt heute über seine Stellungnahme zur Revision der LULUCF Verordnung ab. Dazu erklärt Anna Deparnay-Grunenberg, grüne Schattenberichterstatterin und studierte Forstwissenschaftlerin:
„Der Agrarausschuss bereitet mit seiner heutigen Stellungnahme einen Nährboden für Schönfärberei und Klimabetrug. Anstatt neue Ansätze zu entwickeln, um korrekte Berechnungen der CO2-Senkungen zu ermöglichen und Anreize für CO2-Einsparungen zu bieten, gleicht die Stellungnahme nun einem Sammelsurium an Taschenspielertricks:
So zielt die AGRI-Stellungnahme darauf ab, die Emissionen der verschiedenen Sektoren gegeneinander einfach schönzurechnen. Es wird nicht zwischen den diversen landwirtschaftlichen Nutzflächen (Ackerland, Weideland, Feuchtgebiete etc.) unterschieden und es wird auch keine Trennung von Forst- und Landwirtschaft vorgenommen, auch wenn diese Sektoren sich völlig unterschiedlich verhalten. Gleichzeitig wird einmal mehr die „nachhaltige Waldwirtschaft“ (Sustainable Forest Management, SFM) als Allheilmittel beworben, obwohl diesem Konzept bis heute keine rechtsverbindlichen Kriterien zugrunde liegen. Durch die fehlenden Kriterien versenkt ein Hektar naturnah bewirtschafteter Wald – rein rechnerisch – genauso viel CO2 wie ein Hektar Kahlschlagfläche. Das ist natürlich grober Unfug!
Auch Jahresbilanzierungen werden grundsätzlich als unnötig angesehen und aktiv aus dem Gesetzestext gestrichen. Stattdessen wird eine neue fantasievolle Kategorie „Kohlenstoffspeicherprodukte“ erfunden, welche im Rechnungssystem der IPCC gar nicht vorgesehen ist. Trotzdem wird dreist behauptet, dass dies im Einklang mit den IPCC-Modellierungen geschieht. Dabei ermöglicht die massive Überschneidung zwischen dieser neuen Kategorie und der bestehenden Kategorie „geerntete Holzprodukte“ eine Doppelzählung der Emissionseinsparungen, welche präzise Berechnungen schier unmöglich machen. Und nicht zuletzt wird mit dem offenen und flexiblen Ansatz für „carbon farming“ Tür und Tor geöffnet für Doppelzählungen und Greenwashing.
Im Kampf gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist es unverzichtbar, dass alle Produktionszweige dazu beitragen müssen, klimaschädigende Gase zu vermeiden bzw. zu verringern. Die Landwirtschaft ist für etwa 10% aller in der EU ausgestoßenen Klimagase verantwortlich. Nur wenn die Emissionen, die durch Landnutzung entstehen erfasst und in der Folge reduziert werden, ist es möglich, unseren Teil des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen.
Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität sind die größten Herausforderungen unserer Generation und müssen gemeinsam gedacht werden. Die alarmierende Geschwindigkeit der Entwaldung und Walddegradierung verschärft die Klimakrise und das Massenaussterben. In allen Landsektoren kann viel mehr getan werden, um die Emissionen zu verringern, die Senken und die Widerstandsfähigkeit und damit die Langlebigkeit der Kohlenstoffbestände zu erhöhen und gleichzeitig die Ökosysteme und die biologische Vielfalt zu schützen und wiederherzustellen.
Es bleibt letztlich nur zu hoffen, dass die Mitglieder des federführenden Umweltausschusses mit mehr Umsicht und Sorgfalt sich diesem wichtigen Gesetzesvorschlag annehmen.“