Diese Woche stimmt das EU-Parlament über das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ab – falls die Abstimmung nicht vertagt wird. Anna Deparnay-Grunenberg, grüne Verhandlungsführerin für das Gesetz im Agrarausschuss, kommentiert:
“Die Konservativen im EU-Parlament versuchen, mit der Methode Brexit das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur zu verhindern. Sie machen mit Fake News Stimmung für ein Votum, das nach Ansicht aller Expert*innen eklatant den Interessen des Gemeinwohls entgegensteht. Immer wieder erzählen sie, dass Maßnahmen für den Naturschutz unsere Ernährungssicherheit gefährden. Das ist eine krasse Verkehrung der Tatsachen! Schon jetzt leidet ein Viertel der Fläche der EU unter Trockenheit, ganze Bienenpopulationen sterben weg, die Ernteausfälle sind gigantisch.
In den vergangenen Tagen hat die CDU/CSU Fraktion ihre Fake News-Kampagne nochmal auf ein absurderes Niveau gebracht. Sie warnt vor dem Gesetz unter anderem damit, dass „der Weihnachtsmann aus seinem Haus fliegt“ und dass „sechs Stadtviertel Helsinkis abgerissen werden müssten“. Beides schürt absichtlich Ängste und ist zudem einfach falsch!
Ständig muss ich dem Mythos entgegentreten, dass wir mit dem Gesetz “Landwirten und Förstern ihre Flächen wegnehmen" wollten. Auch hier stimmt das Gegenteil. In Wahrheit geht es um den Erhalt der Ökosystemfunktionen eben dieser Flächen – was im Endeffekt natürlich auch der Bewirtschaftung zu Gute kommt. Die Auswertung von fast 100 Studien zeigt, dass die Ernten bei mehr Biodiversität bis zu einem Drittel höher ausfallen.
Wie damals beim Brexit macht es mich fassungslos! Die Politiker*innen von CDU/CSU und FDP verzerren die Wirklichkeit so, als würden sie im Interesse der Wirtschaft und des Gemeinwohls handeln, setzen aber tatsächlich unseren Wohlstand aufs Spiel. All das, für ein paar Stimmen kurz vor der Europa-Wahl!
Derzeit sieht es danach aus, dass die Konservativen mit Hilfe der Liberalen und Ultra-Rechten versuchen, die auf Mittwoch angesetzte Abstimmung am Montag auf nach der Sommerpause zu vertagen. Es scheint, als bekämen sie angesichts der lautstarken Proteste der vergangenen Woche kalte Füße.”
Fakten
· Der Vorschlag für ein Nature Restoration Law, zu Deutsch Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, stammt aus dem Juni 2022. Es enthält als übergreifendes, verbindliches EU-Ziel, 20 Prozent der Land- und Meeresfläche bis 2030 wieder in einen ökologisch guten Zustand zu bringen. Es beinhaltet zudem spezifische Verpflichtungen zur Renaturierung von landwirtschaftlichen Flächen, Mooren und Waldökosystemen. Die EU hat sich in Montreal noch vergangenes Jahr dafür gefeiert, statt 20 Prozent sogar 30 Prozent schützen zu wollen.
· Schutzgebiete machen derzeit 26 Prozent der Land- und zwölf Prozent der Meeresfläche der EU aus. Laut EU-Umweltagentur befinden sich in der Union derzeit 81 Prozent der geschützten Lebensräume, 39 Prozent der geschützten Vögel und 63 Prozent der anderen geschützten Arten in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand. https://www.eea.europa.eu/publications/importance-of-restoring-nature/the-importance-of-restoring-nature
· Der erste Entwurf für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur stammte von der Kommission. Angetrieben von den Konservativen befürworteten dann alle drei Ausschüsse, die sich mit dem Gesetzesentwurf befassten, ihn gänzlich zu kassieren. Nun liegt die letzte Entscheidung beim Parlament, ob man die Arbeit an einer gemeinsamen Position doch noch angehen will.
· Der Rat und die Mitgliedsstaaten haben Ende Juni entschieden, das Gesetz zu befürworten. Insofern erleben wir jetzt die außergewöhnliche Situation, dass der sonst eher zurückhaltende Rat progressiver scheint als das Parlament. https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/06/20/council-reaches-agreement-on-the-nature-restoration-law/
· Etliche Unternehmen und Organisationen haben sich bereits für das Gesetzesvorhaben ausgesprochen. Hier eine kleine Auswahl: IFOAM (Biobauern Europas), Deutscher Falkenorden, European Forest Institute, European Anglers Alliance (EAA), European Fishing Tackle Trade Association (EFTTA) sowie ein Unternehmensverband, zu dem Coco Cola Europe, Ikea und Nestlé gehören: https://www.ournatureourbusiness.eu/
· Der wissenschaftliche Beirat der Vereinten Nationen: https://admin.undekade-restoration.de/assets/images/UN-Dekade_Beirat_Statement_Nature_Restoration_Law.pdf?link_id=3&can_id=0a9201a155399c57a42f658e51cbfc0b&source=email-rettung-der-naturabstimmung-im-umweltausschuss-15-juni-gruenenefa-fraktion-fordert-evp-auf-blockadehaltung-aufzugeben&email_referrer=email_1955583&email_subject=rettung-der-naturabstimmung-im-umweltausschuss-15-juni-gr_nenefa-fraktion-fordert-evp-auf-blockadehaltung-aufzugeben
· Mehr als 3300 Wissenschaftler*innen haben einen entsprechenden Brief unterschrieben: https://www.idiv.de/fileadmin/content/Files_CAP_Fitness_Check/GERMAN_Scientists_support_Green_Deal_and_reject_attack_on_SUR_and_NRL.pdf?link_id=2&can_id=0a9201a155399c57a42f658e51cbfc0b&source=email-rettung-der-naturabstimmung-im-umweltausschuss-15-juni-gruenenefa-fraktion-fordert-evp-auf-blockadehaltung-aufzugeben&email_referrer=email_1955583&email_subject=rettung-der-naturabstimmung-im-umweltausschuss-15-juni-gr_nenefa-fraktion-fordert-evp-auf-blockadehaltung-aufzugeben
· Hier noch mal die Links zu den oben erwähnten absurden EVP-Tweets https://twitter.com/EPPGroup/status/1676864056412745728
https://twitter.com/EPPGroup/status/1676625296974282753