Mit dem europäischen Klimagesetz beschließt das Europaparlament das Ziel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen von – 60% bis 2030 (gegenüber 1990). Das ist ein großartiger Erfolg! Gleichzeitig hält eine Mehrheit im EU-Parlament an der alten Forstwirtschaft fest. Wie passt das zusammen?
Der Wald – unser Held beim Klimaschutz
Die Wälder und die Forstwirtschaft können eine erhebliche Rolle im Kampf gegen die Klimakrise spielen. Denn unsere Wälder schützen erstens den Boden, regulieren einen funktionierenden Wasserkreislauf, fungieren als natürliche Kühlanlagen, produzieren Sauerstoff und bilden nebenher eine hervorragende CO2-Senke. Darüber hinaus bieten sie wertvollen Lebensraum für die biologische Artenvielfalt. Gleichzeitig ist die Nutzung des Rohstoffes Holz in viele Regionen ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor und ohne die nachwachsende Ressource Holz ist die angestrebte Kreislaufwirtschaft schwer vorstellbar.
Unsere Wälder sind Opfer des Klimawandels
Jedoch sind unsere Wälder derzeit Opfer des Klimawandels: Trockenheit, extreme Wetterereignisse, Befall mit Parasiten wie dem Borkenkäfer, machen dem Wald erheblich zu schaffen. Laut einem Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN) ist mehr als die Hälfte der in Europa vorkommenden Baumarten durch die extremen Wetterbedingungen und Schädlingsbefall gefährdet.
Die EU muss dringend mehr Verantwortung für den Umbau unserer Wälder hin zu resilienteren, artenreicheren und klimafitten Wäldern übernehmen.
Statt eine innovative Strategie für einen Waldumbau zu präsentieren, um unsere Wälder langfristig erhalten zu können, stellt der am 7. Oktober 2020 im Plenum verabschiedete Bericht zur neuen EU-Forststrategie 2020 eine klassische, kurzfristig gedachte wirtschaftliche Bedeutung der Wälder in den Mittelpunkt.
Doch nur, wenn wir es schaffen, gesunde Wälder langfristig zu erhalten, finden wir ein Gleichgewicht zwischen der ökologischen, der sozialen und der wirtschaftlichen Bedeutung des Forstsektors. Ein ‚Weiterso‘ schadet allen – auch der Forstwirtschaft und der Holzindustrie. Die Waldwirtschaft der Zukunft muss deshalb zusammen durch und durch mit dem Green Deal und der EU-Biodiversitätsstrategie gedacht werden. Denn nur artenreiche funktionierende Waldökosysteme können dauerhaft viel CO2 binden und bringen gesunde Bäume hervor. Trockene Forsten und Plantagen, die ständig der Dürre, den Stürmen und dem Borkenkäfer zum Opfer fallen, weisen auf Dauer eine miserable CO2-Bilanz auf und die wirtschaftlichen Schäden sind enorm.
Das erfordert mancherorts eine gravierende Änderung der forstwirtschaftlichen Praxis! Kein Sektor reagiert jedoch so allergisch auf das Wort „Veränderung“, wie der Forstsektor – auch zurecht. Da Bäume und Wälder langsam wachsen, müssen Förster*innen Veränderungen stets gut durchdenken und weit im Voraus planen. Deshalb müssen wir auch dem Sektor und den europäischen Waldbesitzer*innen eine Perspektive anbieten. Ohne eine massive Unterstützung werden wir diesen Wandel hin zu standortangepassten und naturnahen Mischwälder nicht schaffen.
Das industrielle Verfeuern von Holz ist eine klimapolitische Katastrophe
Auch muss dieser Wandel mit einer klaren Holzbau- und Bioökonomie-Strategie der Zukunft gedacht und umgesetzt werden. Denn die neuen Hölzer, die in gemischten Beständen wachsen sollen, müssen natürlich auch Abnehmer finden. Holz ist ein exzellenter CO2-Speicher, deshalb sollten wir diesen wertvollen Rohstoff – durch das Kaskadenprinzip – erst für langlebige Produkte verwenden.
Das Verbrennen von Holzresten zur lokalen Wärmeproduktion mag zu rechtfertigen sein, aber das industrielle Verfeuern extra angelegter Wälder ist schlicht eine klimapolitische Katastrophe!
Etwa die Hälfte des „erneuerbaren“ Energiegewinns in der EU wird aus Holzverbrennung bestritten. Das gilt zwar vordergründig als klimaneutral, weil Holz ja irgendwann nachwächst, doch das industrielle Verbrennen von Stammholz setzt das just gespeicherte CO2 einfach wieder frei. Bis neue Bäume wieder nachwachsen, kann die C02-Bilanz verheerend negativ sein. Unter dem steigenden Brennholzhunger leiden zudem vor allem naturnahe Wälder, wie in Rumänien und Bulgarien.
Nur gemeinsam – statt einsam – sind wir stark
Die neue Waldstrategie sollte vor allem den langfristigen Schutz der Europäischen Wälder garantieren. Wie auch die Europäische Kommission sind wir Grünen jedoch davon überzeugt, dass die EU auch im Bereich Wald- und Forstwesen durchaus Mindeststandards und Leitlinien vorgeben kann und sollte, welche die Mitgliedsstaaten zu Schutzmaßnahmen und Waldumbau verpflichten würden.
Die Bekämpfung der ökologischen Krise erfordert, dass wir als Staatengemeinschaft uns mit ehrgeizigen Zielen und Maßnahmen gegenseitig motivieren und voneinander lernen. Wir Grüne sind der Meinung, dass nachhaltige Waldbewirtschaftung deshalb weit mehr sein sollte, als die alleinige Sicherstellung der Holzmengen. Vielmehr muss die Nutzung von Wäldern und Waldflächen gewährleisten können, dass die biologische Vielfalt, Vitalität und Regenerationsfähigkeit der Böden und des Ökosystems erhalten bleiben. Nur so können unsere Wälder auch in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene erfüllen.
EU-weite Definition von nachhaltiger Waldbewirtschaftung muss her
Wir sind deshalb der Überzeugung, dass die künftige EU-Forststrategie auch den Austausch bewährter Praktiken für den angemessenen Schutz, den Erhalt und die Restaurierung und Wiederaufforstung von Wäldern fördern sollte. Zwar gibt es heute diverse Konzepte, nach welchen Kriterien man eine nachhaltige Waldbewirtschaftung bewerten könnte, doch bisher fehlt eine allgemeingültige und rechtskräftige Definition. Deshalb appellieren wir Grünen nachdrücklich an die EU-Kommission, eine solche Definition auf europäischer Ebene zu schaffen.
Unsere alternative Resolution, nämlich der ökologischere und ganzheitliche Bericht des Umweltausschusses fand bei mehr als einem Drittel der EU-Abgeordneten Zustimmung. Dennoch setzte sich schließlich der konservative Bericht des Agrarausschusses im Plenum durch. Nichtsdestotrotz fühlen wir uns bestätigt, weil wir durch das Einreichen einer Alternative dem Diskurs im Plenum einen neuen Aufwind verschafft haben. EU-Agrarkommissar Wojciechowski betitelte die kontroverse Plenardebatte als hoch interessant. Wir bleiben sehr gespannt, was für eine tatsächliche „Waldstrategie“ die EU-Kommission im März 2021 präsentieren wird.
Weiterführende Links mit allen relevanten Dokumenten:
https://anna.deparnay-grunenberg.eu/eu-wald-strategie-lichtblick-fuer-die-plenarabstimmung/
Plenar-Debatte am 6. Oktober 2020
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/CRE-9-2020-10-06-ITM-007_DE.html