Der Gedanke der “Nachhaltigkeit” ist ein Grundpfeiler der Forstwirtschaft. Im Kampf gegen die Klimakrise und den dramatischen Verlust der Biodiversität müssen wir den Schutz unserer Alt- und Primärwälder stärken und besser durchsetzen!
- Alt- und Primärwälder können bis zu viermal so viel Kohlenstoff speichern wie bewirtschaftete Wälder – sie machen jedoch nur 1,2% der gesamten EU-Landfläche aus
- Die letzten Alt-und Primärwälder Europas befinden sich hauptsächlich in Osteuropa (v.a. Rumänien, Polent, Tschechien) und in Skandinavien
- Die EU kann und MUSS! diese Wälder durch Kartierungen, Kompensationen und Überwachung sowie einer guten Einbindung der lokalen Bevölkerung besser schützen
Etwa 4,9 Millionen Hektar der EU-Wälder sind sogenannte „Primärwälder“ oder „alte Wälder“. Dabei handelt es sich um Wälder, die einer natürlichen Dynamik folgen, in ihrem ursprünglichen Zustand existieren und von menschlichen Eingriffen weitgehend verschont geblieben sind. Somit gibt es uralte Bäume, viel Totholz, wenig Unterholz und eine immense Artenvielfalt, darunter viele Arten, die nirgendwo sonst vorkommen. Aufgrund der säulenartigen Bäume und des teppichartigen Unterholzes werden sie oft als kathedralartig beschrieben. Sie sind das natürliche biologische Erbe Europas, so wie die alten Tempel für unsere Kultur.
Zwar mögen knapp 5 Millionen Hektar viel erscheinen, doch machen diese wertvollen Wälder nur 3 % der gesamten bewaldeten Fläche der EU und 1,2 % der EU-Landfläche aus. Zudem sind diese Altwälder in Wirklichkeit zu selten, zu klein und zu „zersplittert“. Dabei ist ihr Schutz von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Kampf gegen die Klimakrise.
Primärwälder können als wahre Alleskönner zusammengefasst werden: Sie beheimaten eine größere biologische Vielfalt, liefern Süßwasser von besserer Qualität als Sekundärwälder, junge Wiederaufforstungswälder oder Plantagenwälder und speichern zudem mehr Kohlenstoff. Im Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern, die pro Hektar 300 bis 600 Kubikmeter Holz vorweisen (und dementsprechend Kohlenstoff speichern), können Alt- und Primärwälder bis zu 1600 Kubikmeter Holz pro Hektar vorweisen. Das entspricht einer viel höheren Kohlenstoffspeicherung.
Dennoch werden die Alt- und Primärwälder Europas und der Welt jedes Jahr kleiner. Die wirtschaftlichen Interessen an den Wäldern oder das Fehlen an Wissen bezüglich Ihrer Wichtigkeit sind die zwei Hauptursachen für diesen Schwund.
Welche Instrumente gibt es, um Alt- und Primärwälder zu schützen?
Zum Schutz unserer Alt-, Primär– oder Urwälder sind mehrere grundlegende Schritte zu unternehmen, die bis heute ausgeblieben sind.
Definitionen schaffen
Uns ist allen bekannt, dass wir erst dann etwas schützen können, wenn wir es begriffen und definiert haben. Für den Schutz und Erhalt von Alt-, und Primär– oder Urwäldern ist deshalb zunächst eine für Europa allgemeingültige Definition notwendig. Die Forststrategie betont diese mangelnde Präzision in der Systematik und die EU-Kommission hat angekündigt, dass sie bis zum Ende des Jahres eine nachvollziehbare Definition ausarbeiten und vorstellen möchte.
Schützen, was wir kennen
Weiter, muss eine bessere und aktuellere Kartierung der Primärwälder durchgeführt werden, damit diese auch effektiv geschützt werden können. Eine aktuelle Studie der Europäischen Kommission (4/2021) kommt zum Ergebnis, dass die bislang nicht kartierte Fläche sich auf ca. 4,4 Millionen Hektar beläuft, was einer Gesamtfläche von mehr als der Größe der Niederlande entspricht. Hier müssen wir die Chancen der Digitalisierung nutzen!
Schutzflächen implementieren, besser verwalten und ausweiten
Natura2000 ist das europaweite Schutzgebietsnetzwerk, begründet durch Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) und der Vogelschutzrichtlinie. Es bildet das Rückgrat des europäischen Naturschutzes und wird ergänzt durch spezielle Arten- und Biotopschutzregeln auch jenseits der Schutzgebiete. Um einen effektiven Schutz der Ökosysteme und einen guten Erhaltungszustand zu garantieren, werden fundierte Managementpläne gebraucht. Diese stellen klare Regeln auf, die für die oft begrenzte, dennoch nötige Bewirtschaftung der Gebiete als auch für den besseren Schutz bedrohter Tiere, Pflanzen und Lebensräume relevant sind.
Zum besseren Erhalt unserer Wälder, im Kampf gegen Klima- und Biodiversitätskrise zielt die EU-Biodiversitätsstrategie darauf bis 2030 mindestens 30% der Landfläche (und auch Meeresgebiete) unter Schutz zu stellen. Dabei sollten 5 bis 10% der Flächen sogar ganz von der Ressourcennutzung ausgeschlossen sein (das sogennante “re-wilding” ). Auch geschädigte Ökosysteme sollen künftig wiederhergestellt werden (sogenannte Restauration). All das ist sinnvoll; die letzten Primär– und Altwäldern müssen aber vorerst dringend gerettet werden und sollten selbstverständlich unter strengsten Schutz gestellt werden.
Wir brauchen Kompensationen, denn aus wirtschaftlicher Not wird die ökologische Not vergrößert
Ausgerechnet in den wertvollen Alt- und Primärwäldern in Osteuropa, die an Schönheit und Artenreichtum auf unserem Kontinent kaum zu übertreffen sind, kommt es immer wieder zu illegalen Holzrodungen im katastrophalen Ausmaß. Lokale Armut und Korruption sind Haupttriebkräfte für die gesetzeswidrige Entnahme von Holz aus den Wäldern.
Auch Umweltschutzorganisationen heben hervor, dass die Wälder oftmals aus Unwissenheit und Not abgeholzt werden. Die uralten Bäume (teils über 400 Jahre alt) sind wirtschaftlich kaum interessant, da sie in der Mitte oft hohl und morsch sind. Die Wälder werden also oft für schlechtes Brennholz gerodet!
Damit sich das ändert, muss die Not der Bevölkerung ernst genommen und Kooperationen initiiert werden. Nur wenn die lokale Bevölkerung gute wirtschaftliche Alternativen hat und um den wahren Wert der Primär- und Altwälder weiß, wird sie die Erhaltung mit- und vorantragen.
Wirtschaftliche Kompensationsmechanismen für den Walderhalt, aber auch für die naturnahe Wiederbewaldung, können durchaus Wirkung entfalten und werden in den nächsten Jahren sicherlich diskutiert werden. Auch im Rahmen der Konvention zur Erhalt der biologischen Vielfalt ist dieser Ansatz durchaus auf der Tagesordnung.
Kommunikation und Partizipation
Wollen wir die alten Wälder schützen, so müssen wir die Partnerschaften mit allen Beteiligten, einschließlich Landbesitzern, Naturschutzorganisationen, lokalen und regionalen Behörden und den lokalen Gemeinschaften selbst stärken. In diesem Zusammenhang zeigen Forschungen, dass vor allem Frauen dazu tendieren, strengere Regeln für die Waldnutzung aufzustellen und die Wälder stärker zu schützen. Somit kann sich besonders ein ‚Empowerment‘ von Frauen in lokalen Strukturen sehr lohnen.
Es geht darum, Gerechtigkeit im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung zu schaffen und darüber hinaus, das herkömmliche Schutzgebietsmanagement in integrierte Strategien umzuwandeln. Diese sollen sowohl die Klimawirkung und die biologische Vielfalt fördern, aber auch dem menschlichen Wohlbefinden dienen, zum Beispiel im Rahmen von Ökotourismus-Prokekten .
Bestehende Gesetze besser umsetzen und kontrollieren: Eine delikate Aufgabe
Natürlich müssen aber heute die bereits bestehende Schutzmechnismen angewandt werden. Das Einhalten der Verträge ist die absolute Minimal-Forderung! Zu Recht rufen wir und sämtliche Aktivisten immer nach neuen und strengeren Gesetzen und Auflagen auf, doch gleichzeitig wird deutlich, dass die Einhaltung der bestehenden Rechtslagen zuerst durchzusetzen ist. Ausgerechnet hier wurde in der EU-Kommission jedoch in den letzten Jahren so viel Personal weggekürzt, dass ihnen schlicht die (wo)menpower fehlt, um Ermittlungen und eventuelle Vertragsverletzungsverfahren durchzuziehen. Dass mitten in der Krise der Klima- und Umweltschutz nun auch noch an Personaleinsparungen scheitert, leuchtet mir nicht ein!
Doch die Konsequenzen sind deutlich: Im Februar 2020 leitete die EU Kommission – endlich nach vielen Klagerufen unsererseits – ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien ein. Der Grund: Rumäniens Regierung duldet großflächige illegale Abholzungen in Natura2000 und Unesco-Welterbegebieten. Mehr als anderthalb Jahre nach dem Aufforderungsschreiben der Kommission an Rumänien, bleibt jegliche Antwort, aber auch Verfahrenskonsequenz aus. Das Vertragsverletzungsverfahren bleibt somit wirkungslos im ersten Schritt stecken. Deshalb fordere ich erneut die EU Kommission – in einem zweiten offiziellen Brief – an, nicht locker zu lassen!
Ich halte euch auf dem Laufenden, was die EU-Kommission gegenüber der rumänischen Regierung zum Schutz dieser wahrhaftigen Juwelen unternimmt.
Unterzeichnet bitte auch weiter fleißig die Petition gegen Kahlschläge, denn wir müssen der EU richtig Druck in Sachen Wald machen!