Die Forstwissenschaftlerin und grüne EU-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg kommentiert die aktuelle Debatte um den Wolf wie folgt:
“Die Konservativen im EU-Parlament haben eine Kampagne gestartet, um den Schutzstatus des Wolfs zu schwächen. Für heute hatte die EVP (die Fraktion der CDU/CSU im Europaparlament) eine Debatte zum Thema anberaumt. Zuvor hatte die Kommissarin Ursula von der Leyen damit überrascht, dass sie in einem Schreiben lokale und nationale Behörden aufforderte, Maßnahmen gegen den Wolf zu ergreifen. Darin war ohne jegliche Grundlage plötzlich von einer potenziellen Gefahr für den Menschen die Rede – ganz klar mit dem Ziel, den Abschuss zu erleichtern.
Ich finde diese Kampagne enorm enttäuschend angesichts unserer aktuellen Biodiversitätskrise. Immerzu wird in Deutschland Innovation gefordert, aber beim Wolf fällt vielen nichts anderes ein, als einem uralten Killerinstinkt zu folgen. Dabei ist ein erleichterter Abschuss von einzelnen Tieren völlig unnütz, wenn man Weidetiere schützen will. Es ist trotz Gentests meist unmöglich, den tatsächlich verantwortlichen Wolf auszumachen. Und wenn man wahllos einzelne Wölfe tötet, erholt sich die Population im Nu.
Nein, wir müssen weiterhin erforschen und testen, wie wir Weidetiere besser schützen. Was wirklich helfen könnte, wäre etwa auf Wölfe mit Gummigeschossen zu zielen, wenn sie sich einer Weide oder einem Stall nähern. So lernen die Wölfe, bestimmte Gebiete zu akzeptieren. Der Herdenschutz durch Zäune und / oder Hunde hat sich ja bereits bewährt, derzeit gibt es die ersten Blitzanlagen an solchen Einzäunungen, um nachts Wölfe zu vergrämen.
Die Konservativen müssen endlich aufhören - wie schon kürzlich bei der Kampagne gegen das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur - Fake News zu verbreiten. Alle bisher verfügbaren Daten zeigen, dass Wölfe für den Menschen keine Gefahr darstellen. Fakt ist auch, dass 95 Prozent der Nahrung der Wölfe aus Wildtieren besteht. So helfen sie, den Verbiss an jungen Bäumen im Wald zu verringern und somit den Wald klimafit zu machen.
Der Wolf ist nicht unser Feind, sondern unser Verbündeter dabei, das Ökosystem Wald zu regulieren – und übrigens auch Schäden in der Landwirtschaft zu verhindern. Wölfe halten nämlich ebenso Schwarzwildpopulationen im Zaum: Sie fressen gerne auch Wildschweine, jene Tiere, die Felder und Weideland zertrampeln sowie Getreide und andere Feldfrüchte vertilgen."
Noch ein paar Fakten:
· In einer Pressemitteilung (1) hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Wolf kürzlich als Gefahr für den Menschen bezeichnet - und so ihrer eigenen Behörde widersprochen. In einem Faktendokument der Kommission vom Juni 2023 war aggressives Verhalten von Wölfen gegenüber Menschen noch als “seltenes Phänomen” beschrieben (2) worden. Mehrere NGOs haben ihre Besorgnis über die Aussagen der Kommissionspräsidentin in einem Brief veröffentlicht (3).
· Der Wolf war in vielen Regionen Europas etwa 150 Jahre lang komplett ausgerottet. Nachdem die Tiere europaweit unter Schutz gestellt wurden, verbreitet sich der Wolf seit Ende des 20. Jahrhunderts wieder auf dem Kontinent. Zuletzt gab es etwa 17.000 Individuen (4) in 28 europäischen Ländern, welche sich in zehn Populationen gruppieren (5).
· Der Wolf ist in ganz Europa durch den Anhang IV der Habitatrichtlinie europaweit streng geschützt. Seit Jahren fordern die Konservativen immer wieder, eben diesen Schutzstatus des Wolfes herabzustufen. Damit läge die Hoheit des Wolfsmanagements wieder bei den Mitgliedstaaten (6).
1. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_4330
2. file:///C:/Users/pbode/Downloads/Facts_and_common_misconceptions.pdf
3. https://www.wwf.eu/?11704941/Open-letter-to-Commission-President-von-der-Leyen-on-protection-status-of-wolves
4. https://www.lcie.org/Largecarnivores/Wolf.aspx
5. file:///C:/Users/pbode/Downloads/Facts_and_common_misconceptions.pdf
6. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31992L0043