Europa ist ein wahrer Flickenteppich der Waldbewirtschaftung, denn jeder Mitgliedsstaat hat seine eigenen Waldgesetze. Die meisten Waldflächen in der EU werden aber immer noch einfach kahlgeschlagen. In Schweden werden fast neunzig Prozent der Wälder derart industriell bewirtschaftet. Das erschreckende Ausmaß habe ich im Sommer auf einer kleinen Waldtour durch Nordeuropa hautnah erlebt, und zwar in in Dalarna, dieser nordwestlich von Stockholm gelegenen Region, die als die "schwedischste aller schwedischen Provinzen" beworben wird.
Tatsächlich finden sich dort noch einige Wälder mit Jahrhunderte alten Kiefern. Durch ihr langsames und harzreiches Wachstum ist ihr Holz besonders langlebig und widerstandsfähig. Doch nur sechs Prozent der produktiven Waldfläche in Schweden ist heutzutage geschützt. So werden auch solch wertvolle Altwälder gnadenlos abgeholzt und zu Sägespänen, Papier, Zellstoff oder Bioenergie verarbeitet.
Was bleibt, sind kahle Wunden im Wald. Die freie Erde setzt enorm viel CO2 frei anstatt es wie ein gesunder Waldboden zu absorbieren. Die schweren Maschinen haben den Boden beim Ernten zudem so verdichtet, dass das Wasser in Strömen abfließt, anstatt zu versickern. Es braucht hundert Jahre, damit nur die jüngsten der gefällten Bäume nachwachsen.
Aufgeforstet wird in Monokulturen. Eine einzige Baumart, gepflanzt in Reih und Glied. Das sind keine Wälder! Das sind Baumplantagen, in denen die heimischen Arten keinen Platz haben. Wir müssen dieser Form der Waldwirtschaft unbedingt ein Ende setzen - überall!
IM MOOS VIEL LOS
In Dalarna sah ich auch, wie es anders geht. Ich habe Leif Öster besucht, der aus der zerstörerischen schwedischen Forstindustrie ausgestiegen ist. Heute bewirtschaftet er seinen Wald naturnah und leistet damit wichtige Pionierarbeit. Auf so genannten Referenzflächen lässt er standorttypische Bäume wachsen, um zu lernen, wie sich der Wald natürlich entwickelt. Mit seiner Bewirtschaftung ahmt er dann diese natürliche Entwicklung nach. Die schonende Bewirtschaftung bewahrt die für den borealen Wald typischen dicken Moosschichten. Sie sind Lebensraum zahlreicher bedrohter Arten und sorgen dafür, dass sich die Feuchtigkeit im Boden hält.
DAS LÜBECKER WALDMODELL: VORBILD FÜR NATURNAHE WALDWIRTSCHAFT
Auch im norddeutschen Lübeck habe ich mir diesen Sommer ein Leutturmprojekt angeschaut. Seit Jahrzehnten wird dort der Stadtwald besonders naturnah bewirtschaftet. Was das heißt? Referenzflächen machen zehn Prozent des Waldes aus. Die natürliche Entwicklung auf diesen Flächen gilt als Vorbild für die Waldbewirtschaftung.
Statt auf Kahlschläge setzt man dort darauf, einzelne Bäume aus dem Wald zu holen: Dicke Stämme werden schonend gefällt und hinterlassen nur kleine Lücken im Kronendach. Diese werden durch natürliche Verjüngung schnell wieder geschlossen- und der Schatten kann somit seine segensreiche Wirkung entfalten.
Anstelle von Monokolturen gedeiht in Lübeck Mischwald, der unter großen Fichten heranwächst. Dazwischen liegen Totholz sowie renaturierte Moore und bieten Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Das geschlossene Kronendach und die vielen Baumarten halten das Wasser im Wald. So geht das Gegenteil von Kahlschlag.