Den Schutz der Wölfe in Europa abschwächen? Im Agrarausschuss des EU-Parlaments wird es derzeit von manchen Akteuren versucht, Abschüsse von Wölfen zu erleichtern. Dafür soll dessen Schutzstatus abgeschwächt werden. Und das im Jahr 2022 – das Jahr der Biodiversität!
Dabei ist es eine exzellente Nachricht, dass es in Europa wieder mehr Wölfe gibt, denn der Wolf spielt in der Natur als Grossraubtier eine wichtige Rolle: Er reguliert die Bestände verschiedener Huftiere, wie Rehe und Hirsche. Die Anwesenheit eines Wolfsrudels kann so zu einer Verjüngung der Vegetation beitragen. In Wäldern ist dies wichtig, um naturnahe Waldbestände entstehen zu lassen und die Böden vor Erosion zu schützen. In der Nähe von Gewässern sorgt die neue Vegetation für die Stabilisierung von Flussläufen und schafft Lebensräume für verschiedene Amphibien, Reptilien und Fische. In dieser Funktion halten Wölfe ein Ökosystem im Gleichgewicht und tragen zur Biodiversität bei.
Da der Wolf vor allem alte und kranke Tiere jagt, sorgt er gleichzeitig dafür, die Ausbreitung von Krankheiten und Parasiten einzudämmen. Ein wichtiger Beitrag um Zoonosen vorzubeugen!
Die Rückkehr des Wolfs in seinem Ökosystem führt jedoch dabei immer wieder zu heftigen Konflikten mit Menschen und Nutztieren.
Jedoch muss man klar sagen: Es neigen vor allem junge, einzelgängerische Wölfe dazu, Nutztiere anzugreifen. Ein gesundes Rudel Wölfe hingegen bevorzugt die Jagd auf Wildtiere. Wird nun ein einzelner Wolf aus einem Rudel geschossen, kann dies die fragile Sozialstruktur der Wölfe empfindlich beeinflussen und dazu führen, dass das Rudel weniger erfolgreich jagen kann. Somit suchen sich die verbliebenen Wölfe einfachere Beute, wie Nutztiere, und es kommt wieder zu Konflikten mit den Menschen. Ein Abschuss ist also eindeutig kontraproduktiv!
Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir die Wölfe und ihre Rudel gut schützen und stattdessen in effektiven Herdenschutz investieren! Das ist natürliche eine komplexe Aufgabe, denn jede Region ist anders und benötigt individuelle Lösungen. Ob nun Zäune, Herdenschutzhunde oder andere Maßnahmen: Der Einsatz von Wolfsberater*innen und Herdenschutzberater*innen hat sich bereits deutschlandweit bewährt, um gemeinsam funktionierende Lösungen zu finden.
In Regionen, wo der Wolf nie verschwunden ist (wie in den italienischen Alpen) wissen die Landwirt*innen, wie die Herden (historisch und heute) geschützt werden können.
Auch ein vernünftiges und einfaches System von Kompensationszahlungen macht die Anwesenheit des Wolfes für Landwirt*innen erträglicher: Sollten Wölfe trotz vorhandener Schutzmaßnahmen oder in neu besiedelten Gebieten Nutztiere reißen, müssen Landwirt*innen natürlich einen Schadensausgleich erhalten (in Deutschland ist dies bereits recht erfolgreich umgsetzt).
Als Schattenberichterstatterin für die Resolution im AGRI-Ausschuss, habe ich am Dienstag (11. Januar 2022) eine Reihe von Änderungsanträgen eingereicht, die darauf abzielen, europaweit den Herdenschutz zu stärken, ohne den Wolfsschutz zu schwächen.
Foto: Thomas Bonometti