Update 05.07.2021: Das Pilotprojekt „Local Green Deals“ wurde bewertet und als „schon umsetzbar“ eingestuft. Dementsprechend kann es nicht als Pilotprojekt umgesetzt werden.
Mit weiteren Gesprächen mit der EU-Kommission sowie intensiven Recherchen sind wir dabei, die EU-Förderlandschaft zu sondieren. Wo könnte das Projekt angeknüpft werden. Wann beginnen welche Förderperioden etc. Bald mehr dazu, also bleibt dran!
Erster Schritt für Lokale Green Deals
- Nur 21 % der Deutschen finden das aktuelle Wirtschaftssystem sozial gerecht¹
- Über 500 Unternehmen in Europa haben sich Gemeinwohl-bilanzieren lassen; über 15.000 sind B-Corporation-zertifiziert
- GWÖ-Bewegung zählt heute über 15.000 Unterstützer*innen – u.a. aus Unternehmen, Vereinen, Politik, Privatpersonen.
EU-Pilotprojekte sind eine Chance für Innovation. Mit dem Pilotprojekt “Local Green Deals” möchte ich europäische Gemeinwohlregionen auf den Weg bringen, um damit den sozial-ökologischen Wandel der lokalen Wirtschaft voranzubringen. Pioniere des Wandels, wie die Gemeinwohl-Ökonomie könnten durch dieses Pilotprojekt weiter gestärkt werden.
Vom Europäischen Green Deal hin zu europäischen Gemeinwohlregionen
Internationale Krisen wie das Coronavirus, der Klimawandel und der globale Biodiversitätsverlust, verstärken den Drang nach einem Systemwechsel. Der Europäische Green Deal stellt einen Weg zu tiefgreifenden Transformationen in unseren gesellschaftlichen Systemen dar, um langfristige Umwelt- und Klimaziele zu erreichen, aber auch um die soziale und wirtschaftliche Stabilität zu erhöhen. Dazu gibt es aktuell zahlreiche Gesetzesinitiativen der EU, die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele in allen Bereichen festschreiben sollen. Darüber hinaus bekennen sich der Rat der EU und die Europäische Kommission zu einer „Economy of Wellbeing“, einer Wirtschaft des Wohlbefindens. Und obwohl es vonseiten der EU u.a. mit den Vorgaben zur “Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen” Fortschritte zur nachhaltigen Ausrichtung von Unternehmen gibt, gelten diese bisher nur für Großunternehmen. Dabei zählen 99% der Unternehmen in der EU zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)².
Um sicherzustellen, dass der Europäische Green Deal (EGD) auch auf lokaler Ebene umgesetzt werden kann und die Unternehmen vor Ort mitnimmt, brauchen wir Lokale Green Deals (LGDs), bei denen alle mitwirken: Menschen, Staat und die Wirtschaft auf der regionalen, nationalen und europäischen Ebene. Genau hier soll dieses Pilotprojekt anknüpfen: Kommunen und Regionen sollten ihr Potential und ihre Verantwortung erkennen und befähigt werden, bei der Umsetzung des Green Deals vor Ort aktiv mitzuwirken. Wie wir bereits heute sehen, sind solche Netzwerke eine starke Unterstützung grüner Wirtschaftspolitik vor Ort.
Lokale Unternehmen als Pioniere der sozial-ökologischen Wirtschaft in Europa
Mit diesem Pilotprojekt möchte ich einen Anstoß geben, um soziale und ökologische Gemeinwohlregionen in Europa zu initiieren. Dabei sollen kleine und mittelgroße, lokale Unternehmen dabei unterstützt werden, ihre Gemeinwohlbilanz zu verbessern. Konkret sollen Unternehmen, in Begleitung der jeweiligen lokalen Verwaltung, eine umfassende ethische Evaluierung (basierend auf einer ausgewählten Methode, wie bspw. der Gemeinwohlökonomie, B Corporation, Cradle to Cradle) durchlaufen können. Die Unternehmen könnten durch den ethischen Bilanzierungsprozess feststellen, wie sozial, ökologisch, demokratisch und menschengerecht sie wirtschaften. Diese Einschätzung soll den Unternehmen helfen, sich und ihre gesamten Lieferketten langfristig nachhaltiger auszurichten. Auch Kooperationen und Netzwerke, die ethisches Wirtschaften unterstützen, können dadurch vor Ort gestärkt werden.
Wie es dazu kam: Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) als Inspiration
Inspiriert haben mich zu diesem Projekt Pionierregionen, wie u.a. die Gemeinwohl-Region Bodensee und auch die Gemeinwohl-Bilanzierung zweier städtischer Betriebe in Stuttgart, die ich vor einigen Jahren als Stadträtin in Stuttgart begleitete (mehr dazu). Zuletzt hat sich ForstBW, auf meine Initiative hin, GWÖ-bilanzieren lassen (mehr dazu) und ist damit das erste landeseigene Unternehmen!
Die Gemeinwohl-Ökonomie verfolgt ein Wirtschaftssystem, das nicht den reinen Profit, sondern das Wohl der Menschen als Ziel des Wirtschaftens sieht. Gesamtgesellschaftliche Werte werden demnach Teil der Wirtschaftsleistung. Dabei stützt sich die GWÖ auf unsere europäischen Grundwerte: Die Menschenwürde, Solidarität und soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitbestimmung.
Local Green Deals – Projektvorschlag eingereicht, 2022 könnte es losgehen!
Wird das Projekt angenommen, so stünde für 2022 folgendes an:
- Die Kommission veröffentlicht eine Ausschreibung für Regionen* (hier Stadt- und Landkreise gemeint), die sich bewerben können.
- Die Regionen* informieren die lokalen Unternehmen öffentlich über dieses Projekt (z.B. durch Informationsveranstaltungen, Workshops) und treten mit interessierten Unternehmen, die ihre Bereitschaft für eine ethische Bilanzierung anhand einer der zugelassenen Methode äußern, in Kontakt.
- Die Regionen* bewerben sich auf die Ausschreibung der Europäischen Kommission, indem sie die Unternehmen vorschlagen, die bereit sind, eine ethische Bewertung durchzuführen.
- Die ethische Bilanzierung wird durch ein zertifiziertes Unternehmen begleitet und anhand einer ausgewählten Methode durchgeführt. Eine Liste an zugelassenen Bilanzierungsmethoden wird zuvor festgelegt.
- Die durch die Zertifizierung entstehenden “externen” Kosten für Unternehmen sollen durch dieses Pilotprojekt gedeckt werden.
- Die Region kann den Prozess der lokalen Unternehmen verfolgen und wird mit den Ergebnissen der ethischen Bewertungen der Unternehmen beliefert. Sobald die Bilanzierung abgeschlossen ist und die Unternehmen konkrete Schritte zur Verbesserung ihrer ethischen Leistung einleiten, werden die positiven Auswirkungen auf Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft in der Region sichtbar.
Die Auswirkungen auf die Lieferketten im Blick: Die ethische Evaluierung soll die gesamte Lieferkette und die Handlungsfelder eines Unternehmens umfassen und soll so auch positiven Einfluss auf transparente und nachhaltige Lieferketten nehmen.
Kommt das Projekt erfolgreich ins Laufen, so könnte es für ein zweites Jahr verlängert und ggfs. danach weiter ausgeweitet werden.
Zum weiteren Prozess
In den kommenden Wochen werden die eingereichten Projekte von der Europäischen Kommission bewertet. Anschließend werden sie vom Europäischen Parlament im Spätsommer abgestimmt. Bis dahin suchen wir Grünen nach fraktionsübergreifender Unterstützung, damit das Projekt genehmigt wird.
Anschließend könnte das Pilotprojekt zum 01.01.2022 starten – zunächst für ein Jahr – und anschließend um ein weiteres verlängert werden. Langfristig können aus Pilotprojekten auch langfristige EU-Förderlinien entstehen.
Langfristige Vision: Umdenken bei unserer Art zu wirtschaften und öffentliche Gelder und Aufträge zu vergeben
Der Gemeinwohlgedanke kann sich “wie von selbst” verbreiten (Schneeball-Effekt): HandelspartnerInnen von teilnehmenden Unternehmen, können durch das Projekt dazu motiviert werden, selbst eine ethische Bilanzierung zu durchlaufen.
Eine Idee, die im Kleinen startet, kann später groß werden: Eine neue mögliche EU-Förderlinie
EU-Pilotprojekte können langfristig in die EU-Förderprogramme aufgenommen werden und ausgeweitet werden. Diese ethische Bewertung könnte als zusätzliches Kriterium für die Verteilung von europäischen Förderungen genutzt werden. Auch das heute bekannte Erasmus-Programm (heute Erasmus+), das Studierenden und seither auch Auszubildenden und Hochschulpersonal einen Auslandsaufenthalt in einem anderen europäischen Land ermöglicht, begann einst als ein solches EU-Pilotprojekt im kleinen Rahmen. Unser Ziel ist es, mit diesem Projekt, den Wandel der lokalen Wirtschaft in einigen Pionierregionen anzustoßen, sodass es sich später auf eine Großzahl an Regionen ausweiten kann.
Ethische Leistung als Kriterium für die öffentliche Beschaffung: Sobald eine breite Anzahl von Unternehmen eine ethische Bewertung erstellt hat, könnten Unternehmen, die eine höhere ethische Performance aufweisen, bei der öffentlichen Beschaffung bevorzugt werden.
Öffentlich-private Zusammenarbeit auf Basis von Transparenz: Dieses Pilotprojekt bietet einen innovativen Rahmen für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor.
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*„Regionen“: Eine „Region“ wird hier definiert als ein Gebiet, das als „NUTS 3-Regionen“ des europäischen Territoriums klassifiziert ist und in Deutschland beispielsweise Land- und Stadtkreisen entspricht. Daher sind die Behörden, die für diese Einheiten zuständig sind, die Zielgruppe dieses Pilotprojekts (sie können lokale Unternehmen vorschlagen und sich bei den Ausschreibungen der Europäischen Kommission bewerben).
Weitere Links und Infos
Quellenangaben:
1. https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2021-04-21-mehrheit-haelt-wirtschaftssystem-ungerecht-verlangt-umfassende
2. https://ec.europa.eu/growth/smes_en