Die Abgasnorm als verkorkstes Geschenk an wen eigentlich?
Heute hat das EU-Parlament seine Position zur Abgasnorm Euro 7 verabschiedet. Die EU-Verkehrspolitikerin Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne/EFA) kommentiert die neue Verordnung:
„Die Abgasnorm Euro 7 wäre DIE Chance, endlich für gute Luft in unseren Städten zu sorgen. Leider hat eine unsägliche Allianz aus Konservativen, Liberalen und Rechten daraus ein Geschenk an die Autoindustrie gemacht. Dabei war der Lobbydruck gar nicht allzu stark. Offenbar war die Wut auf vermeintliche Überregulierung und den Green Deal größer als der Sachverstand. So hatten die Trödler unter den Autoherstellern leichtes Spiel mit ihren Falschaussagen über vermeintlich horrende Kosten.
Die Abgaswerte bleiben also völlig unnötigerweise hinter jeder Gesundheitsempfehlung zurück – und sogar hinter den Vorschriften in China und den USA. Europäische Autohersteller sollen nun tatsächlich für diese Märkte Sondermodelle bauen und wir in der EU bekommen schlechtere Baureihen bis 2035, das heißt bis zu dem Jahr, ab dem Verbrenner nicht mehr in der EU verkauft werden dürfen. Und diese Autos werden – bei einer üblichen Nutzungsdauer – bis 2050 die Luft verpesten. Das ist wirklich ein Skandal! Und Green Washing, weil Euro 7 und Euro 6 kaum auseinanderzuhalten sind.
Dieses Geschenk kommt uns teuer zu stehen, laut Spiegel mit bis zu 100 Milliarden Euro: Denn Verkehr macht nach wie vor einen großen Anteil der Luftverschmutzung aus. Und diese Art Verschmutzung stellt wiederum das mit Abstand wichtigste Umweltgesundheitsrisiko dar. Darüber hinaus soll Euro7 statt wie ursprünglich geplant 2025 erst ab 2031 in Kraft treten! Wir warten also noch sechs Jahre länger, bevor wir halbgare Maßnahmen umsetzen! Dabei sterben und erkranken Jahr für Jahr in der EU Hunderttausende Menschen unnötig an den Folgen von Luftverschmutzung durch Straßenverkehr. Und all das, damit die Autoindustrie, die gerade Rekordgewinne einfährt, ein paar Hundert Euro pro Auto für entsprechende Filtertechnik spart?
Schizophren: Erst im September hatte sich das EU-Parlament bei der Luftreinhaltungsrichtlinie auf eine starke Position geeinigt. Demnach sollen bis 2035 die wissenschaftlichen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) endlich eingehalten werden. Das komplett verwässerte Euro 7 macht dieses Ziel vermutlich unerreichbar. Die Kommunen werden es ausbaden, weil sie irgendwie die Luftreinhaltungsrichtlinie garantieren müssen. Ob Konservative und Liberale da auch an ihre Bürgermeister vor Ort gedacht haben? ”
Hintergrund
· 1992 wurde die erste EU-Abgasnorm verabschiedet. Derzeit gilt die Variante Euro6d. Die Nachfolgeregel Euro 7 soll 2031 in Kraft treten.
· Schon die Vorlage der Kommission für Euro7 war unambitioniert. Sie enthält vor allem ein paar Verbesserungen bei der Testmethodik, blieb aber bei den Abgaswerten hinter den Erwartungen zurück.
· Der Umweltausschuss hat mit einer Mehrheit – angeführt von CDU, FDP und AfD –den Vorschlag weiter verwässert. So erlaubt er doppelt so hohe Stickoxid-Emissionen wie die Kommission vorschlug.
· Der Kommissionsvorschlag würde die Autoindustrie 90 bis 150 Euro pro Fahrzeug kosten. Ein ambitioniertes Euro 7 wäre ungefähr mit 300 Euro zu Buche geschlagen. Die Filtertechnik ist so fortgeschritten, dass man leicht 50 Prozent mehr Stickstoffe herausfiltern könnte.
· Mit einer besseren Bremstechnologie könnte man die Verschmutzung durch Bremsen für 77 Euro Mehrkosten um 85 Prozent reduzieren.
· Für eine europäische Bürger*innen-Umfrage wurden rund 8000 Menschen in acht Ländern befragt, davon 2000 Deutsche. 76 Prozent der EU-Bürger*innen und 66 Prozent der Deutschen wollen die neuesten Technologiestandards. 65 Prozent der EU-Bürger*innen und 57 Prozent der Deutschen wären bereit, 500 Euro mehr für umweltfreundliche Autos zu zahlen.
· Stickoxiden werden allein in der EU 430.000 Tote pro Jahr zugeschrieben, bei Berücksichtigung der WHO-Empfehlung könnten die Zahlen um 60 Prozent sinken.
· Im Jahr 2021 waren 97 Prozent der Stadtbevölkerung einer Feinstaubkonzentration ausgesetzt, die über dem von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Gesundheitsrichtwert lag. https://www.eea.europa.eu/publications/europes-air-quality-status-2023
· Die schlechte Luft verursacht in Deutschland hohe Kosten, allein in München werden diese auf fast 2000 Euro pro Kopf beziffert.
· Auch der Übergang zur E-Mobilität alleine reicht nicht. Selbst eine schnelle Transformation reduziert die kumulativen Stickoxidemissionen bis 2050 nur um fünf Prozent, ein starkes Euro 7 hingegen könnte sie um ein Viertel reduzieren.