Von Grünen Games, Gamifizierung von Nachhaltigkeitsanreizen und dem Brückenschlag zur Gemeinwohlökonomie
- 2,69 Milliarden Leute spielen weltweit Videospiele.
- Die durch Internet und Kommunikationstechnologien verursachten Emissionen entsprechen ungefähr denen aus dem Flugverkehr!
- Es ist wissenschaftlich belegt, dass unsere Gehirne stets nach kausalen Verbindungen suchen (Handlung –> Konsequenz). Bei unserem Beitrag zu Klimawandel und Verlust der Biodiversität ist dieses direkte Feedback jedoch nicht gegeben (Handlung und Konsequenz sind zeitlich entkoppelt). Die Kreativwirtschaft kann hier durch Visualisierungen und Apps Abhilfe schaffen.
“If you know exactly what you are doing – I would argue you are not doing anything creative”
– höre ich die Stimme von Prof. Dr. Drew Davidson aus meinem Laptop. In seinem Vortrag geht es um “Creative Chaos for Good”, um einen Experimentierraum nicht unbedingt physischer Natur, sondern in unseren Köpfen. Dass wir etwas hin und her drehen, uns nicht zu schnell in etwas verrennen und Luft dafür lassen zu merken, wenn wir an etwas echt Gutem dran sind und das weiterspinnen. Er zeigt auch wissenschaftlich, dass richtig kreative Teams, gut gemischte Teams sind: im Hinblick auf den ethnischen und kulturellen Hintergrund, auf Geschlecht und Alter. Zwar sei diese Arbeit nicht immer einfach, aber das Ergebnis stimme. Prof. Dr. Drew Davidson ist Direktor des Entertainment Technology Centers an der Carneige Mellon University in den USA.
Ich höre der Creatables Conference – organisiert von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) – zu. Ich wurde als Co-Autorin des Buches, 24 wahre Geschichten vom Tun und vom Lassen – Gemeinwohl-Ökonomie in der Praxis, sowie als Europaabgeordnete, die sich für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften einsetzt, zur internationalen Konferenz der Kreativwirtschaft “creatables” eingeladen, um die abschließende Keynote zu halten. Creatables ist eine Wortschöpfung der MFG und setzt sich aus den beiden englischen Worten “creative” und “sustainable” zusammen. Ich bin ebenfalls überzeugt, dass wir kreativ werden müssen, um die Nachhaltigkeitstransistionen zu bewältigen.
Grün zocken und grüner Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen
Die Konferenz bedient ein großes Spektrum an Themen: Von Designideen aus China für ältere Leute, um sie geistig und körperlich fit zu halten und sogar soziale Kontakte zu erleichtern, über grüne Videospiele für den Planeten aus Großbritannien, bis hin zu einer Art Tamagotchi, einer Eule aus “The Länd”, Karlsruhe, die man dadurch pflegt, dass man bestimmte Missions erfüllt. Nicht zuletzt Dinge, die gut für das Klima sind.
In einem anderen Vortrag klärt Tom Greenwood von Wholegrain Digital darüber auf, wie wir mit einfachen Tricks unseren Datenverbrauch und somit auch ökologischen Fußabdruck bei der Nutzung unserer internet- und kommunikationsfähigen Geräte reduzieren können. Er sagt zum Einstieg, dass wir oft gar nicht daran denken, dass wir durch die Nutzung des Internets Emissionen verursachen. Es ist nichts zum Anfassen, es ist alles digital und wir erhalten kein Feedback zu unserer Nutzung. Genau darin liegt, wie ich finde, das Kernproblem von so vielen ökologischen Problemen: Die Entkopplung von Handlung und Konsequenz. Und genau dort, finde ich, kann die Kreativwirtschaft Abhilfe schaffen – indem sie dieses Feedback liefert und dies in einer leicht verständlichen Weise.
In meinem Impuls nehme ich das Beispiel vom Stadtradeln. Dort geht es darum als Team, als Stadt, als Kommune möglichst viel CO2 einzusparen und jeder geradelte Kilometer zählt. Das Feedback auf der App für jede Strecke ist direkt. Es entsteht ein spaßiger Wettbewerb darum, am nachhaltigsten zu sein in puncto Stadtverkehr.
Ein Wettbewerb, in dem es darum geht am fairsten, ökologischsten, sozialsten und ethischsten zu sein
Genau diese Idee ist für mich Gemeinwohlökonomie. Es ist nicht das Ausschalten des Wettbewerbs, sondern das Lenken des Wettbewerbs. Und er darf zu MEHR führen, sehr gerne, aber dieses MEHR soll das Gemeinwohl sein. Und was genau das Gemeinwohl ist, das ist am allerbesten partizipativ und demokratisch auszuhandeln. Auch hier ist dieser kreative Raum gefragt, den Prof. Dr. Drew Davidson angesprochen hat – genauso wie die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Gesellschaft!
Dass dieser Ansatz manchmal zu überraschenden Ergebnissen führt und man nicht von vornherein genau wissen kann, was dabei herauskommt ist, wie schon eingangs beschrieben, dem kreativen Prozess geschuldet bzw. zu verdanken.
Das Gemeinwohl-Abenteuer wagen
In meiner Keynote berichte ich, wie ich als Stuttgarter Stadträtin die Gemeinwohlökonomie angestoßen habe und was aus diesem offenen Prozess wurde und natürlich, dass ich nun in Europa gerne Gemeinwohl-Regionen anstoßen möchte. Ich bin hoffnungsvoll in dieser Konferenz, denn viele Hürden und Probleme, die Unternehmen auf ihrer Reise Richtung mehr Gemeinwohl begegnen, können durch Ideen aus der Kreativwirtschaft und IT gelöst oder zumindest deutlich verbessert werden.
Zum Beispiel scheuen viele die Gemeinwohl-Bilanzierung aufgrund des großen Zeitaufwandes und/oder der Schwierigkeit, manche Kategorien mit Daten zu erfassen. Je besser hier branchenspezifisch die Unterstützung für das Nachhaltigkeitsassessment wird, desto mehr Bilanzierungen wird es geben. Im Farmingbereich, habe ich bei der Internationalen Gemeinwohlökonomie Konferenz 2019 in Bremen z.B. das Smart Farm Tool von FiBL entdeckt, um die Bilanzierung von Bauernhöfen zu erleichtern.
In Stuttgart auf dem diesjährigen Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft Kongress (KONGRESS BW) habe ich von iPoint erfahren, einer Software um Nachhaltigkeitsberichtserstattung zu erleichtern, zwar noch nicht in Form einer Gemeinwohlbilanzierung, aber das kann ja noch kommen und wenn die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung von Unternehmen gut wird, ist hier richtig Musik drin! Ich bin gespannt!