Lobby wehrt sich gegen erstes europäisches Waldgesetz
Brüssel, 26. Oktober 2023
Die EU-Kommission legt in Kürze das erste reine europäische Waldgesetz vor – und Lobbyisten sind schon jetzt in heller Aufregung. Die EU-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne/EFA) kommentiert:
„Als Forstwissenschaftlerin und Umweltschützerin streite ich seit Jahren dafür, dass wir in der EU ein erstes echtes Waldgesetz bekommen. Im November will die Kommission endlich ein eben solches Gesetz vorlegen – und schon jetzt läuft die Lobby Sturm. Dabei geht es in diesem Forest Monitoring Law lediglich darum, verlässliche Daten zu erheben, damit wir überhaupt wissen, wie es um die Wälder in Europa bestellt ist.
Schon jetzt erheben die Mitgliedsstaaten punktuell wertvolle Daten vor Ort, aber sie sind zum einen nicht flächendeckend, zum anderen werden sie oftmals unter Verschluss gehalten. Offenbar haben die waldreichen Länder, in denen immer noch große Flächen einfach kahlgeschlagen zu werden, vieles zu verbergen. Wie sonst lässt es sich erklären, dass der finnische und der schwedische Ministerpräsident jüngst die Kommission per Brief anbettelten, das Vorhaben zu verschieben?
Eines der Argumente der Lobbyisten: Waldwirtschaft sei Ländersache, keinesfalls wolle man sich da reinreden lassen. Kürzlich rechtfertigte sich sogar eine schwedische Lobbyistin, wir Deutschen würden uns von der EU auch nicht zu Autogesetzen zwingen lassen. Das ist natürlich Unsinn, siehe Verbrenneraus, siehe Abgasnormen, welche die EU für alle Mitgliedschaften erlässt.
Beim Wald gilt noch dringender: Wir müssen es schaffen, die Wälder unter das Radar der EU zu bringen. Sonst verkommen sie endgültig zu Plantagen. Die industrielle Entwaldung hat in waldreichen Ländern Europas bereits dazu geführt, dass die Wälder ihre Funktion als bedeutsame CO2-Senke verlieren. Um unsere ambitionierten Klimaziele zu erreichen, brauchen wir gesunde Wälder.
Wir haben keine Zeit mehr, wie es gerade in der EU passiert, darum zu rangeln, welcher Ausschuss und welche Minister für das Forest Monitoring zuständig sein sollen. Ganz klar ist dieses Gesetz eine Aufgabe für den Umweltausschuss und die Umweltminister. Landet es beim lobbygetriebenen Agrarausschuss, ist es schon jetzt tot. Ein Green Deal ohne Waldgesetz – das ist dann vor allem viel heiße Luft mit viel CO2.”
Hintergrund
· In dieser Legislaturperiode wurden bereits mehrere EU-Gesetze verabschiedet, die den Wald betreffen, darunter die Renewable-Energy-Richtlinie III (REDIII) sowie die Verordnung zu Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF). Das Forest Monitoring Law wäre das erste EU-Gesetz, das sich ganz spezifisch und ausschließlich mit dem Wald befasst.
· Die Kommission plant, ihren Entwurf zum Forest Monitoring Law am 21. Novembervorzulegen. Ursprünglich sollte der Umweltausschuss im Europäischen Parlament das Gesetz verhandeln, entsprechen sollten die Umweltminister:innen der Mitgliedsstaaten zuständig sein. Aber nun fechten sowohl der Agrarausschuss im Parlament als auch die Argrarminister:innen einiger Mitgliedsstaaten diese Kompetenz an.
· Hier ein Link zu einem Bericht über den gemeinsamen Brief des finnischen Ministerpräsidenten Petteri Orpo mit seinem schwedischen Pendant Ulf Kristersson an die EU-Kommission.
· Einem Projektionsbericht des deutschen Umweltbundesamts zufolge werden wir unsere nationalen LULUCF-Ziele mit den derzeitigen politischen Maßnahmen verfehlen. Statt der anvisierten 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten wird der LULUCF-Sektor voraussichtlich nur 17,7 Millionen Tonnen absorbieren. Der neuesten LULUCF-Verordnung zufolge müssten die Senken-Ziele Deutschlands bis 2030 aber sogar erhöht werden, um die EU-Klimaziele zu erreichen.